Zwei Vögel sitzen auf einem Ast

West Nil Virus auch im Jahr 2022 wieder in Deutschland nachgewiesen!

Der Erreger einer früher in Mitteleuropa seltenen Infektionskrankheit konnte erstmals 2018 auch in Deutschland nachgewiesen werden. Bei der durch den Erreger hervorgerufenen Erkrankung handelt es sich um das West Nil Fieber, eine durch das gleichnamige Virus hervorgerufene, zoonotische Erkrankung. Es erkranken in erster Linie Vögel; Pferde und Menschen können auch betroffen sein.

Der Erreger

Bei dem sogenannten West Nil Virus (WNV) handelt es sich um ein behülltes RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren. Nahe Verwandtschaft besteht zu weiteren Flaviviren, wie dem FSME-Virus, dem Hepatitis C-Virus, dem Dengue Virus, dem Japan-Enzephalitis-Virus, dem St. Lewis-Enzephalitis-Virus, dem Gelbfieber-Virus und dem ebenfalls bei Vögeln auftretenden Usutu-VirusÖffnet sich in einem neuen Fenster. Da die Erregerübertragung durch blutsaugende Stechmücken, wie Mückenarten der Gattungen Culex (z.B.  die Gemeine Hausmücke Culex pipiens) oder Aedes (z.B. Aedes albopictus, die asiatische Tigermücke) erfolgt, wird das WNV zu den ARBO (ARthropod-BOrne) Viren gezählt. 

Wo kommt das Virus vor?

WNV kommt weltweit vor und gehört zu den am weitesten verbreiteten Flaviviren. Erstmals wurde der Erreger 1937 in Afrika im West-Nil-Distrikt in Uganda nachgewiesen. Anfang der 1960er Jahre trat es zum ersten Mal auf dem europäischen Festland (Frankreich) auf und etablierte sich nachfolgend im Mittelmeerraum. In den USA wurde 1999 erstmalig vom Auftreten berichtet. In kurzer Zeit verbreitete sich das Virus dann im gesamten Land, auch Kanada war betroffen. 2002 kam es in Nordamerika zu einer großen Epidemie mit über 4000 erkrankten Menschen und 250 Toten.

In Europa tritt das Virus im Allgemeinen in Form saisonaler Ausbrüche mit Schwerpunkt im Spätsommer und Herbst auf, die sich bis 2017 auf süd- und südosteuropäische Länder beschränkten. In erster Linie betroffen waren und sind Italien und Griechenland. Seit 2018 treten außerdem gehäuft WNV-Ausbrüche in Frankreich und Spanien auf. Dahingegen scheint das früher aktive Ausbruchsgeschehen in Rumänien und Ungarn aktuell eher rückläufig. Vereinzelt wurden in den letzten Jahren auch Nachweise u.a. aus Bulgarien, Österreich, Portugal und Kroatien berichtet.

In Deutschland trat die Infektion bis 2017 nur bei Menschen auf, die sich im Ausland in Endemiegebieten aufgehalten hatten und nach ihrer Rückkehr erkrankten. Tiere waren nicht betroffen.  

Dies änderte sich im August 2018 als das West-Nil-Virus bei einem verstorbenen Bartkauz aus einer Volierenhaltung in Halle a. d. Saale (Sachsen-Anhalt) nachgewiesen wurde. Bis Jahresende 2018 wurden insgesamt zwölf Fälle bei Vögeln sowie zwei Fälle bei Pferden in den östlichen Bundesländern registriert. Betroffene Vogelarten waren Sperlinge, Rabenvögel, Eulen und Greifvögel.

Auch in den Folgejahren setzten sich die Nachweise von West-Nil-Virus bei Zoo-, Wildvögeln und Pferden in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen sowie Thüringen fort (siehe Tab. 1). Mit vereinzelten Fällen waren zudem die Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Niedersachsen betroffen.

Als Besonderheit konnte im Jahr 2022 erstmals bei einem Seehund, welcher nach zentralnervöser Symptomatik verendete, WNV nachgewiesen werden.

Jahr

2019

2020

2021

2022

WNV-Ausbrüche bei Vögeln *

58

58

25

49

WNV-Ausbrüche bei Pferden

32

24

17

16

Summe

90

82

42

65

Tab. 1: Bestätigte WNV-Ausbrüche bei Vögeln (* sowohl Wildvögel, als auch gehaltene Vögel) und Pferden in Deutschland in den Jahren 2019-2022

Quelle: TierSeuchenNachrichten-System ©Friedrich-Loeffler-Institut

Anhand der dargestellten Nachweise ist davon auszugehen, dass das WNV in der einheimischen Stechmückenpopulation über mehrere Jahre erfolgreich überwintert hat und inzwischen als in Deutschland endemischer Erreger angesehen werden kann. Das Verbreitungsgebiet bleibt aber vorerst regional begrenzt.

Bei Menschen wurden von 2018 bis 2021 insgesamt 32 autochthone, symptomatische WNV-Infektionen gemeldet, wobei der Fall im Jahr 2018 wahrscheinlich durch Kontakt zu einem WNV-infizierten Vogel verursacht wurde. Die restlichen Erkrankten infizierten sich wahrscheinlich durch Mückenstiche. Im Jahr 2022 wurden bis Ende November 10 humane Fälle nachgewiesen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht zusätzlich von einer relativ hohen Anzahl von latenten, d.h. symptomlosen Infektionen aus, da nur etwa einer von 100 Infizierten schwer erkrankt. Soweit bisher bekannt, bleiben die WNV-Fälle bei Menschen geografisch auf Regionen beschränkt, in denen auch tierische Infektionen nachgewiesen wurden.

Welche Bedeutung hat die Infektion für Tiere und Menschen und welche Symptome treten auf?

Als Hauptwirte des WNV gelten Vögel. Sie sind als das wichtigste Virusreservoir anzusehen. Bei den meisten Vögeln verläuft die Infektion völlig symptomlos. Eine Ausnahme hiervon bilden insbesondere Sperlingsvögel und darunter v.a. Rabenvögel, aber auch Eulen- und Greifvogelarten. Bei den vorgenannten Vogelarten kann es zu massenhaften Erkrankungen mit Todesfolgen kommen. Bei schwereren Verläufen dominieren neurologische Symptome mit Blutungen in Schnabel- und Kloakenregion. Unser Wirtschaftsgeflügel ist deutlich weniger anfällig, wobei auch bei Gänsen tödliche Erkrankungen auftreten können. Zahlreiche Säugetierarten sind ebenfalls mit dem Virus infizierbar, es treten in den allermeisten Fällen aber keinerlei Krankheitserscheinungen auf. Schwere Krankheitsverläufe sind jedoch bei Pferden und Menschen möglich.

Ein Großteil der infizierten Pferde entwickelt keine Symptome. Allerdings zeigt ein Teil der Tiere neurologische Ausfallerscheinungen wie Stolpern, Nachhandlähmungen, Muskelzittern und Schwäche bis hin zum Festliegen. Seltener treten fieberhafte Allgemeinerkrankungen auf. Ein tödlicher Verlauf ist möglich. Nach überstandener Erkrankung mit typischen Symptomen einer West-Nil-Virus-Infektion zeigen 20 Prozent der Pferde noch lebenslang neurologische Störungen.

Wie beim Pferd, verlaufen auch beim Menschen Infektionen mit WNV überwiegend symptomlos. Treten doch klinische Erkrankungen auf, äußern diese sich meist in Form grippaler Infekte mit Fieber. Daher wird dieser klassische Verlauf auch als West-Nil-Fieber bezeichnet. Schwere Verläufe in Form von Hirnhaut- oder Gehirnentzündung und neurologischen Störungen sind äußerst selten (1 von 100 Infizierten). Diese, auch als West Nile Virus Neuroinvasive Disease, (WNND) bezeichnete Form, betrifft vor allem ältere Patienten und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Sie kann im ungünstigsten Fall tödlich verlaufen.

Wie findet die Virusübertragung statt?

In der Natur nehmen Stechmücken das Virus bei einer Blutmahlzeit an infizierten Vögeln auf und können es bei einem nachfolgenden Stich auf andere Wirbeltiere sowie den Menschen übertragen. Daher korrelieren WNV-Infektionen zeitlich mit der Mückensaison.

Bei Pferden, anderen Säugetierarten und Menschen handelt es sich um sogenannte „Fehlwirte“, in welchen sich die Viren nicht ausreichend vermehren können, um beim nächsten Stich auf andere Tiere oder Menschen übertragen zu werden. Nur in äußerst seltenen Fällen wäre beim Menschen die Übertragung der Viren von infizierten Müttern auf das ungeborene Kind oder während des Stillens auf das Kind denkbar. Auch durch Bluttransfusionen oder Organspenden wäre eine Infektion denkbar.

Wie wird das West-Nil-Virus nachgewiesen?

Am LHL werden entsprechende Proben (z.B. Blut, Serum, Organe) mittels real-time PCRÖffnet sich in einem neuen Fenster auf WNV untersucht. Da das Virus in Vollblut und auch Urin über Wochen zirkulieren kann, sind dies geeignete Untersuchungsmaterialien. Weil beim Umgang mit infektiösem Material auch ein potentielles Infektionsrisiko für den Menschen besteht, darf eine Virusisolierung in Zellkultur nur unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen erfolgen und ist dem Nationalen Referenzlabor am FLI vorbehalten. Dort stehen darüber hinaus Methoden zum Nachweis von Antikörpern gegen das WNV zur Verfügung. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass einige dieser Tests mit Antikörpern gegen andere Flaviviren (z.B. Frühsommer-Meningoenzephalitis beim Pferd oder Usutu-Virus beim Vogel oder Pferd) kreuzreagieren und daher zu falsch positiven Ergebnissen führen können. Für die Einschätzung des Infektionsstatus hat deshalb eine alleinige Untersuchung auf WNV-Antikörper keine ausreichende Aussagekraft.

Elektronenmikroskop-Bild West-Nil-Virus

Wie wird das West-Nil-Virus bekämpft?

Die WNV-Infektion von Pferden und Vögeln ist in Deutschland anzeigepflichtig. Bei Verdacht ist der Amtstierarzt umgehend zu verständigen.

Da auch im Jahr 2023 mit Beginn der Stechmückensaison wieder mit Erkrankungsfällen zu rechnen ist, wird die Impfung empfänglicher Tiere in betroffenen Gebieten empfohlen. Für Pferde sind in Deutschland aktuell 3 Impfstoffe zugelassen (Equip WNV, Proteq West Nile und Equilis West Nile), welche die Dauer und Schwere der klinischen Symptome des West-Nil-Fiebers senken. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) rät zu einer Impfung von Pferden in betroffenen und angrenzenden Gebieten. Auch Pferde, die in diese Gebiete verbracht werden (z.B. zu Turnieren), sollten geimpft werden. Es empfiehlt sich, die Impfung ca. 4-6 Wochen vor Beginn der Mückensaison durchzuführen. Des Weiteren ist eine Insektenprophylaxe zu empfehlen. Dazu zählt z.B. das Vermeiden stehender Gewässer (Regentonnen etc.) und den Schutz der Tiere durch Repellentien (Insekten abstoßende Wirkstoffe) und Fliegendecken.

Da für Vögel keine zugelassenen Impfstoffe zu Verfügung stehen, wird über eine Umwidmung von Impfstoffen für Pferde diskutiert. Auch für den Menschen stehen keine Impfstoffe zur Verfügung, sodass eine Vorbeugung lediglich über den Schutz vor Insektenstichen möglich ist. Blutprodukte von Spendern aus Gebieten mit West-Nil-Virus Zirkulation müssen auf WNV untersucht werden oder werden einem Verfahren zur Virusinaktivierung unterzogen.

Allgemein empfiehlt es sich tot aufgefundene Wildvögel nicht mit bloßen Händen anzufassen bzw. nach Kontakt mit Tierkörpern die Hände mit Seife zu waschen. Beim Fund mehrerer toter Vögel an einer Stelle sollte das zuständige Veterinäramt informiert werden.

Monitoring in Hessen

Auch der LHL ist am Monitoring von West-Nil-Virus-Infektionen beteiligt und untersucht seit 2013 regelmäßig v.a. Wild- und Zoovögel mittels real-time PCR auf das Virus, wobei bislang in Hessen keine Nachweise verzeichnet wurden. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die am LHL auf WNV untersuchten Proben in den Jahren 2013 bis 2022. Die positive Probe im Jahr 2018 stammte von einer Schneeeule aus dem Thüringer Zoopark Erfurt, welche 6 Tage nach Beginn klinischer Symptomatik verstorben war. Bei den untersuchten Pferden bzw. sonstigen Tierarten handelte es sich um Tiere mit klinischen Anzeichen, die den Verdacht auf eine WNV-Infektion weckten. Darunter waren 2017 ein Esel und ein Trampeltier, 2019 ein Mähnenspringer und 2020 ein Rothirsch. Im Jahr 2022 gab es 5 Proben von anderen Tierarten mit klinischen Auffälligkeiten (1 Alpaka, 2 Rehe, 1 Fuchs, 1 Schaf). Auch bei diesen Untersuchungen wurde kein WNV-Genom nachgewiesen.

 

Probenanzahl WNV Vogel

Probenanzahl WNV Pferd

Probenanzahl WNV sonstige Tierarten

Jahr

positiv

negativ

positiv

negativ

positiv

negativ

2013

0

23

0

0

0

0

2014

0

13

0

0

0

0

2015

0

11

0

0

0

0

2016

0

49

0

6

0

0

2017

0

77

0

0

0

2

2018

0

65

0

1

0

0

2019

0

96

0

7

0

1

2020

1

255

0

4

0

1

2021

0

176

0

1

0

0

2022

0

189

0

0

0

5

Tab. 2: Anzahl der am LHL mit real-time PCR auf WNV untersuchten Proben von Vögeln, Pferden und sonstigen Tierarten in den Jahren 2013-2022

Quelle: ©LHL