Der Erreger
Bei dem sogenannten West Nil Virus (WNV) handelt es sich um ein behülltes RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren. Nahe Verwandtschaft besteht zu weiteren Flaviviren, wie dem FSME-Virus, dem Hepatitis C-Virus, dem Dengue Virus, dem Japan-Enzephalitis-Virus, dem St. Lewis-Enzephalitis-Virus, dem Gelbfieber-Virus und dem ebenfalls bei Vögeln auftretenden Usutu-VirusÖffnet sich in einem neuen Fenster. Da die Erregerübertragung durch blutsaugende Stechmücken, wie Mückenarten der Gattungen Culex (z.B. die Gemeine Hausmücke Culex pipiens) oder Aedes (z.B. Aedes albopictus, die asiatische Tigermücke) erfolgt, wird das WNV zu den ARBO (ARthropod-BOrne) Viren gezählt.
Wo kommt das Virus vor?
WNV kommt weltweit vor und gehört zu den am weitesten verbreiteten Flaviviren. Erstmals wurde der Erreger 1937 in Afrika im West-Nil-Distrikt in Uganda nachgewiesen. Anfang der 1960er Jahre trat es zum ersten Mal auf dem europäischen Festland (Frankreich) auf und etablierte sich nachfolgend im Mittelmeerraum. In den USA wurde 1999 erstmalig vom Auftreten berichtet. In kurzer Zeit verbreitete sich das Virus dann im gesamten Land, auch Kanada war betroffen. 2002 kam es in Nordamerika zu einer großen Epidemie mit über 4000 erkrankten Menschen und 250 Toten.
In Europa tritt das Virus im Allgemeinen in Form saisonaler Ausbrüche mit Schwerpunkt im Spätsommer und Herbst auf, die sich bis 2017 auf süd- und südosteuropäische Länder beschränkten. In erster Linie betroffen waren und sind Italien und Griechenland. Seit 2018 treten außerdem gehäuft WNV-Ausbrüche in Frankreich und Spanien auf. Dahingegen scheint das früher aktive Ausbruchsgeschehen in Rumänien und Ungarn aktuell eher rückläufig. Vereinzelt wurden in den letzten Jahren auch Nachweise u.a. aus Bulgarien, Österreich, Portugal und Kroatien berichtet.
In Deutschland trat die Infektion bis 2017 nur bei Menschen auf, die sich im Ausland in Endemiegebieten aufgehalten hatten und nach ihrer Rückkehr erkrankten. Tiere waren nicht betroffen.
Dies änderte sich im August 2018 als das West-Nil-Virus bei einem verstorbenen Bartkauz aus einer Volierenhaltung in Halle a. d. Saale (Sachsen-Anhalt) nachgewiesen wurde. Bis Jahresende 2018 wurden insgesamt zwölf Fälle bei Vögeln sowie zwei Fälle bei Pferden in den östlichen Bundesländern registriert. Betroffene Vogelarten waren Sperlinge, Rabenvögel, Eulen und Greifvögel.
Auch in den Folgejahren setzten sich die Nachweise von West-Nil-Virus bei Zoo-, Wildvögeln und Pferden in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen sowie Thüringen fort (siehe Tab. 1). Mit vereinzelten Fällen waren zudem die Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Niedersachsen betroffen.
Als Besonderheit konnte im Jahr 2022 erstmals bei einem Seehund, welcher nach zentralnervöser Symptomatik verendete, WNV nachgewiesen werden.