Aujeszkysche Krankheit bei Wildschweinen in Hessen
Die auch Pseudowut genannte Aujeszkysche Krankheit (AK) wird verursacht durch das sogenannte Aujeszky- oder Pseudorabies Virus (PRV). Das Virus ist ein wichtiger Krankheitserreger bei Wild- und Hausschweinen, der als Fehlwirte auch andere Säugetiere befallen kann und z.B. bei Hund, Katze oder Rind zu tödlichen Erkrankungen führt. Das Auftreten der Aujeszkyschen Krankheit bei Hausschweinen oder –rindern muss dem zuständigen Veterinäramt angezeigt werden.
Der Erreger
Das sogenannte Aujeszky- oder Pseudorabies Virus (PRV) wird mit wissenschaftlichem Namen als „Suides Herpesvirus 1“ (SHV1, Herpesvirus Typ 1 des Schweins) bezeichnet und gehört zur Familie der Herpesviridae. Empfänglich für den Erreger sind neben Schweinen auch die meisten anderen Säugetiere, mit Ausnahme von Pferden und Primaten. Für den Menschen stellt der Erreger somit keine Gefahr dar. Andere Spezies als Schweine fungieren jedoch als sogenannte „Fehlwirte“, die den Erreger nicht weitergeben und daher selbst nicht ansteckend für weitere Tiere sind. Da es sich beim Pseudorabies Virus, wie oben gesagt, um ein Herpesvirus handelt, zieht sich der Erreger bei überlebenden Tieren nach Abklingen der Symptome in Nervenzellen des Wirtskörpers (sog. Trigeminalganglien) zurück, wo er jahrelang ruhen kann (latente Infektion). Während dieser latenten Phase sind infizierte Schweine nicht ansteckend. Wird allerdings das Immunsystem des Wirtes geschwächt, z.B. durch andere Erkrankungen oder erhöhten Stress, kann es zu einer erneuten Aktivierung der Virusvermehrung und einer wiederkehrenden Ausscheidung des Erregers kommen. Übertragen wird das Virus von virusausscheidenden Schweinen potenziell über alle Körperflüssigkeiten durch Schmierinfektionen. Auch verunreinigte Gegenstände können eine Infektionsquelle darstellen. Außerdem kann eine Infektion von Fleischfressern durch die Aufnahme virushaltiger Gewebe erfolgen (Verfüttern von nicht durcherhitztem Fleisch virusausscheidender Schweine).
Aujeszkysche Krankheit bei Schweinen
Erkrankungsverlauf
Das klinische Bild der Erkrankung beim natürlichen Wirt Schwein variiert je nach Alter des Tieres und Virulenz des Erregers. Bei Ferkeln von Hausschweinen führt die Infektion zu ausgeprägten neurologischen Symptomen (Koordinationsstörungen, Zuckungen, Krämpfe, Zittern) mit hohen Sterblichkeitsraten v.a. bei jungen Ferkeln bis zum Alter von 3 Wochen. Mit zunehmendem Alter nehmen klinische Symptome und Sterblichkeit ab. Bei adulten Hausschweinen verläuft die Infektion häufig mit milden, respiratorischen oder unspezifischen Symptomen oder klinisch ganz unauffällig.
Klinische Fälle von Aujeszky bei Wildschweinen sind sehr selten, da in der Wildschweinpopulation SHV1-Varianten mit niedriger Virulenz zirkulieren, welche nur bei Tieren mit stark geschwächtem Immunsystem zu Symptomen führen. Infizierte Tiere fallen also in der Regel nur im Rahmen von Monitoring-Untersuchungen auf, da bei Ihnen Antikörper gegen SHV1 nachgewiesen werden können.
Epidemiologie
Bei Wildschweinen tritt die Infektion in vielen Bundesländern auf, wobei die Infektionsraten regional stark schwanken und zudem nicht deutschlandweit einheitlich erfasst werden. Die hier angesprochenen Infektionsraten beziehen sich dabei auf die bei Wildschweinen nachgewiesenen Antikörper gegen das Aujeszky Virus. Das Virus selbst sowie für die Erkrankung typische morphologische Befunde werden nur äußerst selten gefunden (s.a. Abschnitt „Diagnostik der Aujeszkyschen Krankheit“).
Aufgrund erfolgreicher Bekämpfungsprogramme sind die Hausschweinebestände in Deutschland seit 2003 offiziell frei von dem Erreger. Die Infektion unterliegt nach geltendem Tierseuchenrecht jedoch weiterhin der Anzeigepflicht bei Hausschweinen. Durch jährliche, stichprobenartige, serologische Monitoringuntersuchungen von Hausschweinen wird der Freiheitsstatus kontinuierlich überwacht. Würde die Infektion in einem Bestand festgestellt, müssten infizierte und ansteckungsverdächtige Tiere getötet werden. Seit 2003 sind jedoch keinerlei Fälle von Infektionen bei Hausschweinen gemeldet worden. Dies spricht für funktionierende Biosicherheitsmaßnahmen in den Schweinehaltungen.
Aujeszkysche Krankheit bei anderen Säugetieren
Neben Schweinen sind auch viele andere Säugetiere für eine Infektion mit SHV1 empfänglich, hier sind v.a. Fleischfresser (z.B. Hunde und Katzen), Nager und Wiederkäuer zu nennen. Für den Menschen sowie für Pferde ist der Erreger ungefährlich. Im Gegensatz zum Hauptwirt Schwein kommt es bei den anderen empfänglichen Säugetieren so gut wie immer zu tödlichen Krankheitsverläufen.
Erkrankungsverlauf
Die Inkubationszeit zwischen Infektion und Auftreten klinischer Symptome wird mit 2-9 Tagen angegeben. Die Erkrankung äußert sich in neurologischen Symptomen wie Desorientierung, Verhaltensänderung, Krämpfen und Lähmungen. Das für die Erkrankung charakteristische Symptom (nicht beim Schwein!) ist ein starker Juckreiz, welcher bis zur Selbstverstümmelung führen kann. Die Zerstörung von Nervenzellen des zentralen Nervensystems durch die Virusvermehrung führt schließlich zum Tod. Therapieversuche sind nur symptomatisch möglich und i. d. R. erfolglos.
Diagnostik der Aujeszkyschen Krankheit
Am Hessischen Landeslabor stehen verschiedene Methoden zur Diagnostik der Aujeszkyschen Krankheit zur Verfügung. Dabei kann einerseits der Erreger selbst durch Anzüchtung in der Zellkultur oder Nachweis von Erregergenom in der Realtime-PCR festgestellt werden. Andererseits können Antikörper gegen das Virus im Blut untersuchter Tiere nachgewiesen werden.
Da Schweine meist persistent (dauerhaft) infiziert sind ohne Virus auszuscheiden oder Krankheitsanzeichen zu zeigen, ist der direkte Erregernachweis nur in Ausnahmen erfolgreich. Auch der Nachweis von Virusgenom in Trigeminalganglien ist problematisch, da diese für eine Beprobung anatomisch schlecht zugänglich sind und relativ geringe Mengen an Virusgenom enthalten. Sehr gut bewährt hat sich allerdings der Nachweis von Antikörpern im Blut. Diese werden nach Kontakt mit dem Erreger im Zuge der Immunreaktion vom Organismus gebildet und bleiben über lange Zeiträume nachweisbar (Monate bis Jahre).
Bei anderen Säugetieren kommt es in der Regel so schnell zum Tod des infizierten Tieres, dass die Zeit für eine Antikörperbildung nicht ausreicht. Im Gegensatz dazu ist Virus in Nervengewebe (Gehirn, Rückenmark) meist in relativ großen Mengen vorhanden, sodass Genomnachweismethoden am toten Tier eine sichere Diagnose erlauben und auch Virusanzuchtversuche Erfolg versprechen. Am lebenden Tier ist i. d. R. nur eine Verdachtsdiagnose anhand von Vorbericht (Kontakt zu Wildschweinen) und klinischer Symptomatik möglich.
Vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor SHV1
Übertragen wird der Erreger durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten von Schweinen, die Virus ausscheiden oder Aufnahme von Fleisch oder Innereien infizierter Schweine. Besonders gefährdet sind daher Jagdhunde, die für die Wildschweinjagd eingesetzt werden, wie Nachweise aus Baden-WürttembergÖffnet sich in einem neuen Fenster aus den Jahren 2016 und 2017, sowie in Hessen 2016 belegen. Jäger und Hundehalter sollten deshalb den Kontakt ihrer Hunde zu Schwarzwild möglichst vermeiden und kein Fleisch von Wildschweinen verfüttern. Das SHV1 ist außerordentlich widerstandsfähig und kann selbst tiefgekühlt in Muskelfleisch und Knochenmark noch bis zu 36 Tage infektiös bleiben. In gepökeltem Fleisch behält das Virus seine Infektiosität bis zu 20 Tage bei.
Schweinehalter, die auch Jäger Öffnet sich in einem neuen Fenster sind, sollten ein striktes Hygienemanagement einhalten. Dieses beinhaltet unter anderem einen Kleidungswechsel vor dem Betreten der Stallungen und kein Aufbrechen von Schwarzwild auf dem Betrieb.
Impfungen und Heilversuche bei Hausschweinen sind verboten. Im Seuchenfall dürfen unter bestimmten Bedingungen nach veterinäramtlicher Anordnung Markerimpfstoffe, die sich eindeutig vom SHV1-Wildtyp unterscheiden lassen, bei Hausschweinen angewendet werden.
Für andere Tiere als Hausschweine sind keine zugelassenen Impfstoffe verfügbar.
Daten zum Vorkommen der Aujeszkyschen Krankheit bei Wildschweinen in Hessen
In Hessen werden Blutproben von Schwarzwild, die im Rahmen des Schweinepest-Monitorings eingesendet werden, auch auf Antikörper gegen SHV1 getestet. Seit 2012 werden die Daten aus diesem Monitoring jährlich ausgewertet. Einen Überblick über die geographische Herkunft von SHV1-positiv getesteten Wildschweineproben gibt die Karte in Abbildung 1. Jeder Punkt steht für ein untersuchtes Wildschwein. Die Farben kennzeichnen das Jahr der Untersuchung. Die Punkte stellen keine Koordinaten dar, sondern illustrieren die Anzahl an positiven Proben pro Gemeinde.