Zwei Möwen sitzen jeweils auf einem Holzpoller

Neues zur aviären Influenza: von der Epizootie zur Enzootie/Panzootie

Regelmäßig zur Grippesaison ist seit Jahren auch die Vogelgrippe zur Stelle und bereitet vor allem Geflügelhaltern Sorgen. Doch warum findet man neuerdings vermehrt ganzjährig tote Wildvögel und stellt das Virus auch eine Gefahr für andere Haus- und Wildtiere oder den Menschen dar? Zur veränderten Situation der Geflügelpest soll dieser Artikel einen kurzen Überblick geben.

Die klassische Geflügelpest – Definitionen und Erreger

Der Erreger der bei Vögeln vorkommenden (= aviären) Influenza zählt, ebenso wie die häufigsten beim Menschen vorkommenden Influenzaviren, zur Gattung Influenzavirus A der Familie Orthomyxoviridae. Die Erbinformation basiert auf einer einzelsträngigen Ribonukleinsäure (RNA), welche auf 8 Segmente verteilt ist. Die einzelnen Segmente kodieren jeweils einzelne oder mehrere Proteine aus denen die Viruspartikel bestehen. Zwei wichtige Proteine der Virushülle, die jeweils auf einem eigenen Genomsegment kodiert sind, sind dabei die beiden Proteine Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) (Abb. 1). Von beiden Proteinen existieren verschiedene Varianten, sogenannte Subtypen, und jedes Viruspartikel enthält jeweils die Gene/Proteine eines bestimmten Subtyps. Sie werden daher für die Namensgebung verschiedener Influenzastämme herangezogen (z. B. H5N1). Bei aviären Influenzaviren (AIV) kommen die Subtypen H1-16 und N1-9 in unterschiedlichen Kombinationen vor. Das Hämagglutinin ist darüber hinaus ein wichtiger Faktor für die Infektion der Zielzelle.

Schematische Darstellung eines Influenzavirus-Partikels. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 1: Darstellung eines Influenzavirus-Partikels mit den in die Virushülle eingelagerten, subtypspezifischen Hämagglutinin- und Neuraminidase-Proteinen, dem allen Subtypen gemeinen Matrixprotein und den 8 RNA-Segmenten. Quelle: FLI, Stellungnahme zur Impfung gegen HPAI, StIKoVet, Stand 12.06.23

Die oben beschriebene Genomorganisation in Segmenten begünstigt die Entstehung neuer Virusvarianten: Wird ein Tier oder Mensch gleichzeitig mit Viren infiziert, welche unterschiedliche H- und N-Subtypen tragen, können diese ihre H- und/oder N-Gene austauschen. Es entsteht dann ein neuer Virusstamm mit veränderten Eigenschaften, welcher sowohl harmloser als auch krankmachender (virulenter) oder ansteckender sein kann.

Während als „Vogelgrippe“ gemeinhin alle Infektionen des Nutzgeflügels mit aviären Influenzaviren bezeichnet werden, wird die „Klassische Geflügelpest“ im eigentlichen Sinne durch hochpathogene (stark krankmachende) Stämme der Subtypen H5 und H7 verursacht (hochpathogene aviäre Influenzaviren = HPAIV). Da Influenzaviren aufgrund ihrer Biologie zu spontanen Mutationen neigen, besteht jedoch die Gefahr, dass aus niedrigpathogenen („low pathogenic avian influenza viruses“ = LPAIV) Viren der Subtypen H5 und H7 stark krankmachende Varianten entstehen, sodass LPAIV ebenfalls als potentielle Erreger der klassischen Geflügelpest betrachtet werden müssen. Ausschlaggebend für die Bewertung der Pathogenität ist hierbei der Krankheitsverlauf nach Infektion im Versuchshuhn. Alternativ zum Tierversuch kann für die Subtypen H5 und H7 die Abfolge der Eiweißbestandteile (Aminosäuren) an einer bestimmten Stelle des Hämagglutinin-Proteins (sogenannte Spaltstelle) herangezogen werden, welche bei HPAIV eine andere ist als bei LPAIV. Tierseuchenrechtlich sind alle Infektionen des Hausgeflügels mit Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 (sowohl HPAIV als auch LPAIV) anzeigepflichtig, wohingegen dies bei Wildtieren nur für hochpathogene H5- und H7-Stämme der Fall ist.

Welche Vogelarten sind betroffen und wie erfolgen Ansteckung und Krankheitsverlauf?

Obwohl vermutlich alle Vogelspezies empfänglich für eine Infektion mit dem aviären Influenzavirus sind, variiert der Grad der Krankheitsausprägung beträchtlich zwischen den verschiedenen Arten. Während Enten und Gänse klassischerweise weniger schwer erkranken, das Virus aber dennoch ausscheiden und weiterverbreiten, endet eine Infektion von Hühnervögeln wie Haushuhn oder Pute mit HPAIV in der Regel tödlich. Nach einer Inkubationszeit (Zeitdauer zwischen Infektion und ersten Krankheitssymptomen) von wenigen Stunden bis Tagen zeigen erkrankte Vögel neben unspezifischen Symptomen wie Apathie, Verweigerung der Futter- und Wasseraufnahme, gesträubtem Gefieder und Rückgang der Legeleistung, häufig auch eine Beteiligung der Atemwege (Ausfluss aus Schnabel und Augen, Atemnot, Niesen). Außerdem können Durchfall sowie Störungen des zentralen Nervensystems (abnorme Körperhaltungen und –bewegungen, Gleichgewichtsstörungen) beobachtet werden. Unterhautblutungen oder Blutstau führen zu blauroter Verfärbung von Kopfanhängen und Füßen. Auch an inneren Organen können Blutungen auftreten. Bei Infektionen mit LPAIV kann der Rückgang der Legeleistung das einzige zu beobachtende Symptom sein. Während LPAIV sich nur lokal im Darm oder Atemapparat infizierter Vögel vermehren, verteilen sich HPAIV im ganzen Körper und führen nach 2-3 Tagen zum Tod durch die Schädigung von Organfunktionen. Ähnlich schwere Krankheitsverläufe können auch bei Wildvögeln (v. a. Greifvögel und Möwenartige, in letzter Zeit Häufung bei Wasservögeln) auftreten.

Wildlebende Wasservögel stellen häufig ein Reservoir für LPAIV dar und scheiden diese massiv mit dem Kot aus. Auch Eier können Influenzaviren enthalten. Die Infektion erfolgt durch direkten Kontakt oder Aufnahme kontaminierten Materials/Wassers mit dem Schnabel. Vogelzugbewegungen führen zu einer weltweiten Verbreitung, der Eintrag in Hausgeflügelbestände kann häufig mit dem Kontakt zu Wildvögeln in Zusammenhang gebracht werden. HPAIV dagegen entstehen vermutlich in Geflügelhaltungen und können von hier auch auf Wildvögel übertragen werden. Auch der Mensch trägt durch Tierhandel, verunreinigte Gegenstände/Fahrzeuge oder mangelnde Hygiene im Umgang mit Vögeln zur Weiterverbreitung aviärer Influenzaviren bei.

Weltweites Vorkommen der aviären Influenza und aktuelle Situation

Der klassische Verlauf von Influenzaepidemien bei Vögeln erinnert stark an das Auftreten von Grippewellen beim Menschen: typischerweise mehrere Ausbruchswellen im Winter und Frühjahr, wohingegen das Geschehen im Sommerhalbjahr zum Erliegen kommt. Bis Winter 2020/2021 folgte auch das Geflügelpest-Geschehen in Europa dieser Dynamik. Im Sommer 2021 jedoch nahmen die Fallzahlen zwar ab, es konnten aber weiterhin stetig HPAIV-Infektionen, v. a. bei Wildvögeln in Nordeuropa, beobachtet werden. Zu dieser Zeit kristallisierte sich der bis heute vorherrschende Subtyp H5N1 als häufigster Virusstamm heraus, während es sich dabei bis Sommer 2021 noch um den Subtyp H5N8 handelte. Seitdem werden kontinuierlich ganzjährig HPAIV bei Wildvögeln und Hausgeflügel nachgewiesen – das Virus scheint den Sprung von der Epizootie zur Enzootie (Abb. 2) geschafft zu haben. Dies führt seit Frühsommer 2022 zu großen Verlusten innerhalb der Wildvogelpopulation, wobei v. a. koloniebrütende Seevögel (z. B. Möwen, Seeschwalben, Basstölpel) an den Küstengebieten betroffen sind. Doch nicht nur Wildvogelpopulationen in Deutschland und ganz Europa sind von HPAIV-Infektionen betroffen. Seit 2021 werden weltweit (unter anderem Afrika, Asien) Vogelgrippe-Viren in Haus- und Wildtieren nachgewiesen, sodass man bereits von einer Panzootie (Abb. 2) sprechen kann. Besonders besorgniserregend ist hierbei die Verbreitung von H5N1 über den Atlantik nach Nord-, Mittel- sowie Südamerika, wo HPAIV bislang noch nie in Wildvögeln aufgetreten ist und nun zu einer Bedrohung für die vielfältige Vogelpopulation im Regenwaldgebiet zu werden scheint. Erst kürzlich (September 2023) konnten erstmalig hochpathogene H5N1-Viren bei verendeten Wildvögeln auf den Galápagos-Inseln sowie in der Antarktis (Oktober 2023) nachgewiesen werden und scheinen somit zu einer Gefahr für diese einzigartigen Naturparadiese zu werden.

Mit Beginn der Vogelzugsaison im Herbst 2023 steigt nun in Europa die Zahl an gemeldeten AIV-Ausbrüchen bei Haus- und Wildvögeln wieder an. Aus den Niederlanden gab es bereits Berichte über Fälle von HPAIV bei Legehennen sowie Zootieren. Auch in Deutschland wurde H5N1 im November 2023 bereits in mehreren Puten- und Legehennenhaltungen in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Thüringen nachgewiesen. Im Dezember folgten weitere Nachweise auch in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus wurden auch aus dem übrigen Europa (u. a. Dänemark, Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Italien, Belgien, Frankreich)  und aus Israel H5N1-Fälle bei Nutzgeflügel gemeldet.

Und noch etwas ist neu am aktuellen H5N1-Geschehen: Anders als bei früheren Ausbrüchen erkranken Wildvögel (v. a. Möwenartige) besonders stark im Gegensatz zu Hühnerartigen. Letztere benötigen inzwischen nachgewiesenermaßen eine höhere Infektionsdosis. Das Virus hat sich durch bestimmte Mutationsereignisse optimal an Möwen angepasst. Diese Veränderungen scheinen dazu geführt zu haben, dass sich das Virus bei Säugetieren nun besonders gut im zentralen Nervensystem vermehrt (Neurotropismus), was zu schweren Schäden (z. B. Gehirnentzündung) führen kann. Mehr dazu folgt im nächsten Absatz.

Laut aktuellster Risikobewertung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI, Stand Dezember 2023) ist jedoch weiterhin Bewegung in der HPAIV-Entwicklung: Bereits Ende des Jahres 2023 haben neue H5N1-Stämme das an Möwen angepasste Virus abgelöst, sodass nun wieder vermehrt Wasservögel erkranken. Insbesondere konnte ein europaweit gehäuftes Auftreten von H5N1 bei Kranichen beobachtet werden. Des Weiteren wurde in Nordeuropa neben H5N1 gehäuft der Subtyp H5N5 nachgewiesen. 

Definitionen von Seuchen bei Mensch und Tier hinsichtlich ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 2: Definitionen von Seuchen bei Mensch und Tier hinsichtlich ihrer zeitlichen und räumlichen Ausdehnung.

Können sich Säugetiere und Menschen mit dem aviären Influenzavirus infizieren und daran erkranken?

Veränderungen im Erbgut des aktuellen H5N1-Subtyps haben nicht nur zu einer besseren Anpassung des Virus an Wildvögel geführt, einige Mutationen scheinen dem Virus auch Vorteile bei der Vermehrung in Säugetieren verschafft zu haben. Insbesondere für fleischfressende Land- und Meeressäuger besteht ein hohes Risiko, sich durch Aufnahme von an HPAIV verendeten Vögeln oder Kontakt mit kontaminiertem Material zu infizieren und zu erkranken bzw. zu versterben. Weltweite Nachweise von hochpathogenen aviären Influenzaviren bei Raubtieren wie Füchsen, Bären, Ottern und Seehunden belegen dies. Besonderes Aufsehen erregten 33 Todesfälle von Hauskatzen in Polen, bei welchen HPAIV nachgewiesen werden konnte. Auch bei wasserlebenden Säugetieren wie Robben in Dänemark, Seelöwen, See-Elefanten, Delfinen und Küsten- sowie Flussottern in Südamerika und subantarktischen Regionen führten tödliche Infektion mit H5N1 teilweise zu einem besorgniserregenden Massensterben. Während hier davon auszugehen ist, dass die Tiere sich an infizierten Vogelkadavern angesteckt haben, lassen tödliche Influenzafälle bei Nerzen, Füchsen oder Marderhunden in Pelztierfarmen in Spanien und Finnland eine Virusübertragung von Tier zu Tier vermuten.

Wie oben bereits beschrieben, scheinen Mutationen im viralen Erbgut mit einer Spezialisierung des Virus auf das Nervensystem bei Säugtieren einherzugehen. Neben Symptomen wie Apathie, Inappetenz und Fieber stehen daher bei Säugetieren neurologische Krankheitserscheinungen (Verhaltensänderung, abnorme Bewegungen wie z. B. Kreislaufen, und unnatürliche Körperhaltungen) im Vordergrund. Abgesehen davon kommt es auch zu Beeinträchtigungen des Magen-Darm- und Atemtraktes. Im schlimmsten Fall versterben betroffene Tiere.

Trotz der sich häufenden Fallberichte von aviärer Influenza bei Säugetieren ist das zoonotische Potential für eine Übertragung auf den Menschen laut Experten weiterhin niedrig. Zwar sind seit 2020 einige wenige (<10) Fälle menschlicher Infektionen mit dem Vogelgrippe-Virus aufgetreten, jedoch meist mit mildem oder asymptomatischem Verlauf. Nur bei 2 Fällen in Südamerika erkrankten die betroffenen Personen schwer. Für Personen, die Geflügel halten oder beruflich exponiert sind (z. B. in Pelztierfarmen, Geflügelfarmen) und so häufig mit potentiell empfänglichen Tieren in Kontakt kommen, besteht allerdings ein moderates Risiko für eine Infektion mit aviären Influenzaviren, sodass hier besonders auf persönliche Hygiene und Schutzmaßnahmen (z. B. Tragen von Schutzkleidung und Einmalhandschuhen) zu achten ist. Dies zählt ebenfalls für den Umgang mit erkrankten/verendeten Wildvögeln. Geflügelfleisch und Eier sollten vor dem Verzehr durchgegart werden, da die Viren hierbei zerstört werden. Des Weiteren ist die jährliche Grippeimpfung empfehlenswert, um eine Doppelinfektion mit humanen und aviären Grippeviren und somit die Entstehung neuer, krankmachender Varianten durch Rekombinationen verschiedener Viren zu vermeiden.

Wie wird im Ausbruchsfall verfahren und welche prophylaktischen Maßnahmen gibt es für Geflügelhaltungen?

Da Infektionen von Hausgeflügel mit AIV der Subtypen H5 und H7, unabhängig von der Pathogenität, weltweit anzeige- und bekämpfungspflichtig sind, kommt bei einem Nachweis dieser Viren leider nur die Keulung (Tötung) und unschädliche Beseitigung des gesamten Bestandes in Frage. Eine Therapie ist nicht möglich. In bestimmten Fällen, wenn z. B. seltene oder besonders wertvolle (Zoo-) Tiere gehalten werden, kann die zuständige Veterinärbehörde bestimmte, räumlich abgetrennte Einheiten von der Keulung ausnehmen. Strikte Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, wie das Einrichten bestimmter Schutz- und Überwachungszonen, in welchen der Tierverkehr eingeschränkt ist und epidemiologische Nachforschungen zu Eintragsweg und eventueller Weiterverbreitung des Virus angestellt werden, folgen. 

Die Impfung von Geflügel gegen aviäre Influenzaviren ist bislang in Deutschland verboten. Ausbrüche von HPAIV wurden aufgrund der klinischen Symptomatik schnell erkannt und die rechtzeitige Beseitigung des Bestandes verhinderte größtenteils eine Weiterverbreitung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage, in welcher Wildvögel Reservoire für HPAIV darstellen und diese mit Vogelzugbewegungen verbreiten, wächst der Infektionsdruck für Hausgeflügelbestände, sodass die Möglichkeit der Prophylaxe mittels Impfung stärker in den Fokus rückt. Die rechtliche Grundlage dafür wurde von der EU bereits geschaffen. In Deutschland ist momentan nur ein Impfstoff zugelassen, welcher allerdings auf einem antiquierten Virusstamm beruht. Modernere Impfstoffe sind jedoch verfügbar und in z. B. Nordafrika und Asien bereits im Einsatz. In anderen europäischen Ländern wird die Impfung mittlerweile erprobt, beispielsweise haben die Niederlande kürzlich einen Feldversuch gestartet, in dem Eintagsküken mit zwei verschiedenen Impfstoffen geimpft werden. Frankreich hat bereits am 01. Oktober 2023 eine Impfpflicht gegen HPAIV für Enten eingeführt.

Momentan stellt die Einhaltung von Biosicherheitsmaßnahmen sowohl für große Geflügelbestände, als auch für Klein- und Hobbyhaltungen sowie Tierparks und Zoos, die einzige Prophylaxe für Hausgeflügel gegen HPAI dar. Detaillierte Beschreibungen der empfohlenen Maßnahmen (bspw. Aufstallung, Kleiderwechsel bei Betreten und Verlassen des Stalles, Schadnagerbekämpfung) sowie Checklisten finden sich auf der Homepage des FLI (FLI Aviäre InfluenzaÖffnet sich in einem neuen Fenster). Die wichtigste Maßnahme dabei besteht in der Verhinderung des Kontaktes zu Wildvögeln oder deren Ausscheidungen, damit sowohl die Übertragung von HPAIV, als auch LPAIV, welche nachfolgend im Geflügelbestand zu HPAIV mutieren können, verhindert wird. Konkret bedeutet dies, jeglichen Zugang von Wildvögeln zu Futter, Wasser, Einstreu oder Gegenständen, welche mit Hausgeflügel in Kontakt kommen können, zu verhindern. Alle Bestände sollten regelmäßig kontrolliert und Todes- oder Krankheitsfälle tierärztlich abgeklärt werden. Vogelbörsen oder Geflügelausstellungen unterliegen ebenfalls bestimmten Sicherheitsmaßnahmen und können in Risikogebieten/zu Risikozeiten von der zuständigen Behörde untersagt werden.

Wie wird die aviäre Influenza nachgewiesen und welche Differentialdiagnosen kommen in Frage?

Eine alleinige klinische Diagnose der aviären Influenza ist aufgrund der wenig spezifischen klinischen Symptomatik nicht möglich. Auch die zu beobachtenden pathologischen Veränderungen (z. B. Einblutungen und Blaufärbungen der Kopfanhänge und Ständer, Körperhöhlenergüsse oder Veränderungen des Atemtraktes; Abb. 3a und b) können lediglich einen Hinweis geben, treten aber auch bei einer Vielzahl anderer Geflügelkrankheiten auf.

Leibeshöhle eines an H5N8 verendeten Schwans. Hochgradiges Lungenödem mit Erguss, Entzündungen und Verklebungen in der Körperhöhle sowie multiple Einblutungen im Herzmuskel.
Abb. 3a: Leibeshöhle eines an H5N8 verendeten Schwans aus dem Raum Frankfurt am Main: hochgradiges Lungenödem mit Erguss, Entzündungen und Verklebungen in der Körperhöhle sowie multiple Einblutungen im Herzmuskel.
Organe des gleichen Tieres aus Abbildung 3a mit Einblutungen in Herzmuskel und Fettgewebe im Darmbereich, multiple Nekrosen im Leberbereich, hochgradige Verklebungen zwischen den Organen.
Abb. 3b: Organe desselben Tieres: Einblutungen in Herzmuskel und Fettgewebe im Darmbereich, multiple Nekrosen im Leberbereich, hochgradige Verklebungen zwischen den Organen.

Differentialdiagnostisch kommen hier unter anderem die Geflügelcholera, akute Vergiftungen, sowie insbesondere die Atypische Geflügelpest (Newcastle Disease) in Betracht. Auch bei Letzterer sind Enten und Gänse meist symptomlos befallen, Hühnervögel dagegen können schwer erkranken und ganze Bestände akut versterben. Im Gegensatz zur aviären Influenza ist für die Newcastle Disease die Impfung von Hausgeflügel zwingend vorgeschrieben.

Treten in Nutz-, Zoo- oder Hobbyvogelhaltungen gehäuft Todesfälle auf oder werden gehäuft tote Wildvögel aufgefunden, sollte daher immer eine labordiagnostische Untersuchung auf aviäre Influenza eingeleitet werden. Diese erfolgt auch am LHL mittels reverser Trankriptase (RT)- realtime-PCR (Polymerasekettenreaktion). Als Probenmatrix kommen hier insbesondere Tupferproben aus Kloake und Rachen in Betracht, welche in einer ersten Reaktion auf die Anwesenheit von Influenza A-Viren im Allgemeinen getestet werden. Sollte diese Reaktion positiv ausfallen, wird in einer weiteren PCR getestet, ob es sich um ein Virus des H5- oder H7-Subtyps handelt. Wird auch hier ein positiver Nachweis erzielt, erfolgt eine Weiterleitung der Probe ans FLI mit nachfolgender Bestimmung des Pathotyps. Hierfür stehen am Referenzlabor verschiedene PCRs zur Verfügung, des Weiteren kommt die Bestimmung der Aminosäureabfolge an der Spaltstelle im Hämagglutinin in Betracht. Alternativ kann am FLI auch eine Virusanzucht im embryonierten Hühnerei mit nachfolgender Bestimmung der Pathogenität im Tierversuch erfolgen. Allerdings ist hier die Zeitspanne bis zum Feststehen des Endergebnisses mit 5-21 Tage deutlich länger als bei der molekularbiologischen Diagnostik (1-3 Tage).

Der serologische Nachweis von Antikörpern gegen AIV spielt vor allem im Rahmen des Hausgeflügel-Monitorings eine Rolle, bei welchem stichprobenartig Blut von Hühnern, Puten oder anderen gehaltenen Vögeln untersucht wird. Hierfür stehen am LHL kommerzielle Testkits zur Verfügung. Sollten sich hierbei Verdachtsmomente ergeben, erfolgt die weitere Abklärung mittels PCR nach Tupferprobenentnahme.

Nachweise von AIV bei Vögeln und Säugetieren am LHL

Neben dem oben beschriebenen Hausgeflügel-Monitoring werden am LHL ganzjährig Kottupfer von Wildvögeln sowie verendete oder erkrankte Wildvögel im Rahmen des Wildvogel-Monitorings mittels PCR auf das Vorhandensein von Influenza A-Viren untersucht. Um eine Verbreitung von HPAIV bei Wildvögeln möglichst früh zu erkennen, sollten Totfunde von einzelnen toten Wasservögeln oder gehäufte Todesfälle bei Singvögeln oder Tauben dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. In Abbildung 4a sind die am LHL erhobenen Realtime-PCR Befunde im Jahr 2023 (bis 31.12.) dargestellt. Während die Anzahl der Untersuchungen aufgrund der regelmäßigen Beprobung von Vogelkot durch freiwillige Probennehmer das ganze Jahr über zwischen 150 und 250 liegt, war die Anzahl der Influenza A-positiven Proben im Frühjahr am höchsten und nimmt im Herbst mit Beginn des Vogelzuges wieder zu. Dennoch gab es auch im Juni dieses Jahres einen positiven Nachweis, wobei es sich allerdings um ein niedrig pathogenes Virus handelte. Abbildung 4b zeigt die bei Wildvögeln in Hessen nachgewiesenen Subtypen, wobei H5N1 lediglich im Januar bis März gefunden wurde. Weiterhin wurden die niedrig pathogenen Subtypen H3N8, H4N6, H6N2 und H9N2 am FLI identifiziert. Bei dem Großteil der Proben, in welchen weder H5 noch H7 nachgewiesen werden konnte, wurde von einer Weiterleitung zur Bestimmung des Subtyps abgesehen.   

PCR-Untersuchungen auf AIV in Wildvogelproben am LHL im Jahr 2023. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 4a: Anzahl der Realtime-PCR-Untersuchungen zum Nachweis von Influenza A-Virus-Genom in Proben von Wildvögeln am LHL im Jahr 2023 (bis 31.12.23) (n=2106, blau = negativ, rot = positiv).
Subtyp-Differenzierung bei Influenza A-positiven Wildvogelproben am LHL im Jahr 2023. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 4b: Am FLI durchgeführte Subtyp-Bestimmung bei Influenza A-positiven Wildvogelproben aus dem Untersuchungsgut des LHL (n=32). Bei 19 Proben wurden keine weitere Differenzierung durchgeführt.

Auch bei Tierkörpern von verendetem Hausgeflügel oder Zoovögeln wird eine AIV-Infektion standardmäßig mittels molekularbiologischer Methoden abgeklärt. Wird in einem Geflügelbestand eine HPAIV-Infektion bestätigt, erfolgt auf Anordnung der zuständigen Behörde eine Beprobung weiterer Bestände in der Schutz- und Überwachungszone mit anschließender PCR-Untersuchung. Abbildung 5 zeigt die Anzahl der im Jahr 2023 bis 31.12.23 auf Influenza A-Virus untersuchten Proben von Haus-, Zoo- und Nutzvögeln. Im Gegensatz zu den relativ konstanten Untersuchungszahlen bei Wildvögeln schwankt die Anzahl der mittels PCR untersuchten Proben hier deutlich, da es sich in der Regel um Beprobungen im Verdachtsfall bzw. von Kontaktbetrieben im Ausbruchsfall handelt. So wurde im Januar in drei Fällen H5N1 in einer Hühnerhaltung im Lahn-Dill-Kreis nachgewiesen, woraufhin im Januar und Februar weitere Probennahmen in Betrieben mit räumlicher Nähe zum Ausbruchsbetrieb folgten. Bei den 387 im Juni untersuchten Tieren handelte es sich um Kontrollen im Rahmen der Wiederbelegung einer Putenhaltung im Landkreis Gießen, in welcher im November 2022 Geflügelpest festgestellt worden war. Insgesamt wurden bis 31.12.2023 4259 Proben von gehaltenen Vögeln am LHL auf Influenza A-Virus untersucht. Abgesehen von den drei oben genannten Proben reagierte nur eine, im Dezember 2023 untersuchte Probe eines Schwarzhals-Schwans aus einem außerhessischen Zoo, positiv. Die Charakterisierung am FLI ergab hier jedoch niedrig pathogenes Virus vom Typ H6N1. 

Anzahl der Realtime-RT-PCR-Untersuchungen zum Nachweis von Influenza A-Virus-Genom in Proben von Haus- Nutz- und Zoovögeln am LHL im Jahr 2023
Abb. 5: Anzahl der Realtime-RT-PCR-Untersuchungen zum Nachweis von Influenza A-Virus-Genom in Proben von Haus-, Nutz- und Zoovögeln am LHL bis 31.12.2023 (n=4259, blau = negativ, rot = positiv). Die Darstellung der Untersuchungszahlen auf der y-Achse erfolgt zur besseren Übersicht logarithmisch.

Seit Juni 2023 werden darüber hinaus verendete und krank erlegte wilde Fleischfresser (= Wildkarnivoren, z. B. Fuchs, Waschbär, Marder, Dachs) im Rahmen des Wildtier-Monitorings am LHL ebenfalls per PCR auf das Vorkommen von Influenza A-Virus untersucht (Abb. 6). Bis dato waren alle Untersuchungen negativ.

Abb. 6: Untersuchungen von Wildkarnivoren auf Influenza A-Virus mittels Realtime-RT-PCR am LHL im Jahr 2023. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 6: Untersuchungen von Wildkarnivoren auf Influenza A-Virus mittels Realtime-RT-PCR am LHL bis 30.12.2023. Insgesamt wurden 92 Proben untersucht, dabei waren alle Ergebnisse negativ.

Für eine serologische Untersuchung auf Antikörper gegen Influenza A-Viren wird Blut der verendeten Wildkarnivoren ans FLI weitergeleitet, auch hier zeigten alle bisher durchgeführten Tests ein negatives Ergebnis (Abb. 7).

Untersuchungen von Wildcarnivoren aus Hessen auf Influenza Antikörper (AK) mittels ELISA am FLI im Jahr 2023. Mehr Infos untervetabt@lhl.hessen.de
Abb. 7: Untersuchungen von Wildkarnivoren aus Hessen auf Influenza Antikörper (AK) mittels ELISA am FLI im Jahr 2023 (Zwischenstand vom 31.08.2023).