Wo kommt RHD vor und welche Varianten gibt es?
Das RHD-Virus kommt schon seit Langem weltweit vor und wurde historisch v.a. durch den Handel mit Kaninchenfleisch verbreitet. In Australien wurden die Viren aber beispielsweise auch durch den Menschen bewusst eingeführt, mit der ursprünglichen Absicht, die Bestände an verwilderten Kaninchen, die mit europäischen Einwanderern auf den Kontinent kamen, zu dezimieren.
In Deutschland wurde die RHD erstmals 1988 nachgewiesen. Ein entsprechender Impfstoff war bald darauf verfügbar und ermöglichte den erfolgreichen Schutz geimpfter Kaninchen-Bestände vor der Erkrankung. Im Jahr 2010 trat unerwartet in Frankreich, später auch auf der Iberischen Halbinsel und in Italien, eine neue Virusvariante in Erscheinung, die trotz Impfung eine hohe Todesrate bis zu 50% bei infizierten Tieren verursachte. Diese neue, als RHDV-2 bezeichnete Virusvariante wurde in 2013 erstmals auch in Deutschland nachgewiesen. Neben den bereits genannten Ländern gibt es RHDV-2-Fälle innerhalb Europas auch im Vereinigten Königreich, Dänemark, Schweden, Polen, der Schweiz und in den Niederlanden. RHDV-2 hat in seinem Verbreitungsgebiet nach seinem erstmaligen Auftreten die „klassischen“ RHDV-Stämme so gut wie vollständig verdrängt. Mit Hilfe von Impfstoffen lassen sich jedoch auch die Infektionen mit RHDV-2 kontrollieren. Allerdings bestehen für RHDV-2 Stämme die Besonderheiten, dass auch Feldhasen für die Infektion empfänglich sind, die dann zusätzlich zur Virusausbreitung beitragen. Außerdem erkranken an RHDV-2 auch Jungtiere unter 4-6 Wochen schwer, welche typischerweise von der klassischen hämorrhagischen Krankheit der Kaninchen nicht betroffen sind (Nestlingsimmunität). Die jüngste bekannte Stufe der RHD-Virusevolution stellt ein 2019 in Frankreich und Belgien beobachteter, besonders aggressiver („hypervirulenter“) RHDV-2-Stamm dar, der zu überdurchschnittlichen Verlusten in Mast- und Zuchtbetrieben führt, da dieser auch bei korrekt gegen RHDV-2 geimpften Tieren die hämorrhagische Krankheit der Kaninchen auslösen kann. In Deutschland wurden diese Varianten bislang glücklicherweise noch nicht beobachtet.
Wie äußert sich die Erkrankung und wie wird das RHD-Virus übertragen?
Der typische Krankheitsverlauf unterscheidet sich zwischen den verschiedenen oben beschriebenen Virusvarianten üblicherweise nicht. In der Regel entwickelt sich die Erkrankung äußerst schnell (perakuter Krankheitsverlauf). „Gestern noch völlig gesund und unauffällig und am nächsten Morgen plötzlich tot“. Das sind die typischen Vorberichte, die der Veterinärpathologe von Kaninchenhaltern zu hören bekommt. Können noch Symptome beobachtet werden, kommt es sehr plötzlich zu hohem Fieber, Apathie, Futterverweigerung und in ca. 10-20 % der Fälle zu blutigem Nasenausfluss. Ursache ist eine allgemeine (generalisierte) Gerinnungsstörung, die durch eine Leberentzündung (nekrotisierende Hepatitis) bedingt ist. Des Weiteren können infizierte Kaninchen durch Störungen der Atemwege und des Nervensystems auffallen. In der Regel führt die Erkrankung bereits nach 12-36 Stunden zum Tod des betroffenen Tieres. Langandauernde (chronische) Krankheitsverläufe sind äußerst selten.
Die Übertragung des für den Menschen ungefährlichen RHD-Virus auf nicht infizierte Tiere erfolgt in erster Linie durch den direkten Kontakt mit infizierten Tieren. Jedoch ist auch indirekt über Personen, Futter, Gerätschaften und auch Insekten eine Virusübertragung per Schmierinfektion möglich. Da es sich bei dem Erreger um ein unbehülltes Virus handelt, ist dieses sehr widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen und überlebt daher auch außerhalb eines infizierten Wirtsorganismus sehr lange. Kadaver, die bei niedrigen Temperaturen gelagert werden, sind beispielsweise über bis zu 7 Monate mögliche Quellen einer Ansteckung. Aber auch in Sekreten und Ausscheidungen erkrankter Tiere bleibt das Virus über längere Zeit infektiös und kann so auf Oberflächen überdauern und die oben genannten Schmierinfektionen auslösen. Es wird diskutiert, dass an der Virusverbreitung auch sogenannte symptomlose Dauerausscheider beteiligt sein könnten, die das Virus wiederkehrend ausscheiden und damit weiterverbreiten, ohne selbst Krankheitssymptome zu zeigen.
Wie wird die hämorrhagische Krankheit der Kaninchen nachgewiesen?
In der Veterinärabteilung des LHL kann die Erkrankung nachgewiesen werden. Bei verstorbenen Tieren ergeben sich durch die im Fachgebiet Pathologie durchgeführte Obduktion und die typischen Organveränderungen meist bereits eindeutige Hinweise auf die Erkrankung. Auffälligstes Merkmal ist dabei die untypisch gefärbte, brüchige Leber. Eine Schwellung der Milz und kleinere innere Blutungen können dazu kommen. Das Fachgebiet Virologie führt zusätzlich einen Erregergenomnachweis mittels Polymerase Kettenreaktion (Realtime-PCR, RT-PCR) durch. Hierbei lassen sich auch die beiden in Frage kommenden RHD-Virusvarianten (RHDV/RHDV-2) unterscheiden.
Am lebenden Tier (z. B. um Dauerausscheider zu identifizieren) gestaltet sich die Diagnose schwieriger. Infizierte, aber nicht erkrankte Kaninchen scheiden das Virus nur unregelmäßig aus, so dass ein negativer Genomnachweis mittels RT-PCR nicht zwangsläufig bedeutet, dass das Tier kein RHDV in sich trägt. Bei ungeimpften Tieren können hier Untersuchungen auf Antikörper weiterhelfen, diese werden jedoch am LHL nicht durchgeführt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die meisten Tests nicht zwischen Antikörpern gegen das klassische RHDV und RHDV-2 unterscheiden können. Bei geimpften Tieren deutet ein Anstieg der Antikörperkonzentration in zwei zeitlich getrennten Proben auf eine Infektion hin.
Wie kann ich mein Tier vor RHD schützen?
Die wichtigste Maßnahme, um Kaninchen vor der RHD zu schützen, besteht in der Impfung gegen beide Virusvarianten, da Antikörper gegen das klassische RHDV nicht vor RHDV-2 schützen. Aktuelle Empfehlungen gibt die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin am FLI ( StIKo VetÖffnet sich in einem neuen Fenster). Für die Vakzinierung stehen verschiedene Impfstoffe zur Verfügung, welche entweder nur gegen einen der beiden Erreger, oder sowohl gegen das klassische RHDV als auch gegen RHDV-2 immunisieren. Außerdem ist ein Kombinationsimpfstoff vorhanden, welcher zusätzlich zu beiden RHD-Varianten noch Schutz vor einer weiteren wichtigen Kaninchenkrankheit, der Myxomatose, vermittelt. Auch gegen diese Erkrankung sollten Kaninchen geimpft werden. Gegen RHDV-2 sollten Jungtiere möglichst frühzeitig geimpft werden, je nach verwendetem Impfstoff bietet sich hier ein Alter zwischen 4 und 10 Wochen für die Erstimpfung an. Wiederholungsimpfungen sollten jährlich, in einigen Fällen auch halbjährlich, erfolgen.
Wie oben beschrieben haben Infektionen mit hypervirulenten RHDV-2-Varianten in kommerziellen Kaninchenhaltungen in Frankreich und Belgien auch zu starken Verlusten bei korrekt geimpften Tieren geführt. Daher wurde in Frankreich ein modifizierter Impfstoff zugelassen, welcher in großen Mast- und Zuchtbetrieben eingesetzt werden kann. Bei Kleinsthaltungen ist davon auszugehen, dass die Tiere auch nach Immunisierung mit den herkömmlichen Impfstoffen geschützt sind, gegebenenfalls sollte das Intervall zwischen den Impfungen auf ein halbes Jahr verkürzt werden. Im Falle des Auftretens hypervirulenter Stämme in Großhaltungen in Deutschland kann das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Ausnahmegenehmigungen zum Einsatz des französischen Impfstoffes erteilen.
Um das Infektionsrisiko zu minimieren, sollte der Kontakt von Haustieren zu Wildkaninchen und Feldhasen vermieden werden. Des Weiteren sollte auf das Verfüttern von Grünfutter von Wiesen mit Wildkaninchen-/Feldhasenvorkommen verzichtet werden.
Was ist nach einem RHD-Ausbruch zu beachten?
Da es sich bei RHDV um ein unbehülltes, sehr widerstandsfähiges Virus handelt, ist nach einem Ausbruch der Erkrankung eine gründliche Reinigung und Desinfektion aller Haltungseinrichtungen und Gegenstände, welche Kontakt mit infizierten Tieren und deren Ausscheidungen hatten, unbedingt notwendig. Hierfür sollte ein für unbehüllte Viren zugelassenes Desinfektionsmittel verwendet und auf eine ausreichende Einwirkzeit geachtet werden. Im Internetauftritt der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) ist eine Liste geeigneter Präparate zu finden ( Desinfektionsmittel DVGÖffnet sich in einem neuen Fenster). Für Gegenstände, die für eine Desinfektion schlecht geeignet sind (raue Oberflächen, saugfähige Materialien), ist ein kompletter Austausch in Betracht zu ziehen. In Außenbereichen, wo eine Reinigung und Desinfektion nicht möglich ist, sollte das Gras durch regelmäßiges Mähen kurzgehalten werden. Außerdem sollten diese für mehrere Wochen leer stehen.
Wie Untersuchungen gezeigt haben, scheiden Kaninchen, welche einen RHD-Ausbruch überlebt haben, noch bis zu 8 Wochen infektiöse Viren aus, der Genomnachweis mittels PCR gelingt sogar bis zu 15 Wochen. Daher ist dringend angeraten, mit dem Einstallen neuer Tiere bis ca. 3 Monate nach Desinfektion der betroffenen Haltungseinrichtung abzuwarten. Außerdem ist es ratsam, neu zugekaufte Tiere gegen RHD zu impfen und erst ca. 1 Woche, nachdem der volle Impfschutz erreicht ist, in Kontakt mit überlebenden Kaninchen zu bringen.
RHD-Nachweise am LHL
Seit 2015 werden Proben von erkrankten/verstorbenen Wild- und Haustieren am LHL nicht nur pathologisch, sondern auch molekularbiologisch mittels RT-PCR auf RHDV untersucht. Zwei verschiedene PCR-Untersuchungen erlauben dabei die Differenzierung zwischen dem klassischen RHDV und RHDV-2, wobei Proben von Kaninchen generell auf beide Varianten untersucht werden, Proben von Hasen hingegen nur auf RHDV-2, da diese für die klassische Variante nicht empfänglich sind.