Unterschiedlich farbige Bakterienkolonien in Petrischalen

Who is Who? Identifizierung von Bakterien und Pilzen in der Routinediagnostik

Mit klassischen Bestimmungsmethoden kommt man bei der Identifizierung von Bakterien und Pilzen oft nicht weiter, so dass erst der Blick auf den genetischen Code den Durchblick bringt. Hierfür haben wir zusätzliche, rasche und kostengünstige molekularbiologische Methoden zur Identifizierung von Bakterien und Pilzen in die Diagnostik eingeführt.

Organismen werden entsprechend ihres Verwandtschaftsgrades in einem hierarchischen Klassifikationsschema (Taxonomie) erfasst. Die Grundlage der Taxonomie bilden Kategorien wie Ordnung (Ordo), Familie (Familia), Gattung (Genus) und Art (Spezies), z.B. Bacillales / Staphylococcaceae / Staphylococcus / Staphylococcus aureus. An der Basis steht für sämtliche Lebewesen der so genannte zweinamige (binomiale) Speziesbegriff (hier Staphylococcus aureus), bestehend aus Gattung und Art, welcher auf den schwedischen Naturforscher Carl von LinnéÖffnet sich in einem neuen Fenster (1707-1778) zurückgeht. Dies gilt für komplexe Organismen (wie für den Menschen: Homo sapiens) ebenso wie für die kleinsten Lebewesen, die Bakterien und Pilze. Eine wichtige Grundlage für diese taxonomische Einordnung von Organismen ist der sogenannte genetische Code, der in Genen festgeschrieben ist. Die genetische Information jedes Organismus kann mit Hilfe von Methoden der DNA-SequenzierungÖffnet sich in einem neuen Fenster entschlüsselt werden.

Für die taxonomische Einordnung von Bakterien und Pilzen werden DNA-Sequenzen von Genen herangezogen, die bei allen Mikroorganismen vorkommen und sich im Laufe der Evolution mit gleichmäßiger Geschwindigkeit verändert haben (sogenannte molekulare Uhren). Auf diese Weise ist eine Aussage über den Verwandtschaftsgrad der Mikroorganismen, deren Abgrenzung voneinander und somit die Identifizierung möglich. Geeignete Gene sind die  ribosomalen Gene, an erster Stelle das 16S rRNA-Gen von Bakterien und das ITS- (internal transcribed spacer, SSU, small subunit) sowie das LSU- (28S nuclear ribosomal, large subunit rRNA) Gen von Pilzen, die als Standard in der Bestimmung von Gattungen und Arten dieser Mikroorganismen dienen. Allerdings entspricht die Zuordnung von Bakterien oder Pilzen zu einer Gattung oder Spezies auf der Grundlage der genannten Gene nicht immer anderen charakteristischen Kriterien, wie der Morphologie, dem Stoffwechsel, der Virulenz oder dem Infektionsspektrum eines Mikroorganismus.

Hilfreich ist in diesen Fällen, weitere Gene hinzuzuziehen, an erster Stelle das Gen der beta-Untereinheit der DNA-abhängigen RNA-Polymerase (rpoB-Gen), das bei allen Bakterien vorkommt. Die Analyse der Sequenzen des rpoB-Gens ermöglicht vielfach eine weitergehende Differenzierung von Bakterien-Arten als dies mittels 16S rRNA-Gen-Sequenzierung möglich ist. Die gesamte oder teilweise Entschlüsselung des 16S rRNA- und/oder des rpoB-Gens von Bakterien bzw. des ITS-Gens (ITS1, ITS2) und/oder LSU-Gens (D1- und D2-Region) von Pilzen ermöglicht eine fundierte genetische Identifizierung dieser Mikroorganismen.

Einige für die veterinärmedizinische Diagnostik und die Lebensmittelmikrobiologie wichtigen Bakterien- und Pilzarten können allerdings aufgrund sehr enger genetischer Verwandtschaft nicht auf der Grundlage ribosomaler oder rpoB-Gensequenzen unterschieden werden. Beispiele sind die genetisch sehr nahe verwandten Bakterienarten Yersina pseudotuberculosis (Erreger der sog. Pseudotuberkulose) und Yersinia pestis (Erreger der Pest) oder Bakterien der Bacillus (B.) cereus-Gruppe, zu der B. cereus, B. anthracis (Erreger des Milzbrandes) und B. thuringiensis gehören.

Vor der Analyse der für die Identifizierung von Bakterien und Pilzen herangezogenen Gensequenzen steht deren gezielte Amplifikation (Vervielfältigung), die rasch und günstig mit Hilfe der SYBR Green Real-Time PCR durchgeführt werden kann (Abbildung 1). Mit der sich anschließenden sog. Sanger-Sequenzierung [1] der PCR-Produkte (Amplifikate) ist eine rasche und kostengünstige Entschlüsselung des genetischen Codes von DNA-Abschnitten (DNA-Sequenzierung) mit einer Größe von bis zu ca. 1.000 Nukleotiden (Basenpaaren = bp) innerhalb von drei Tagen möglich.

Arbeitsgang der Identifizierung von Bakterien- und Pilzkulturen
Abbildung 1: Arbeitsgang der Identifizierung von Bakterien- und Pilzkulturen mit Hilfe von DNA-Amplifikation (Vervielfältigung) durch PCR sowie anschließender DNA-Sequenzierung und Datenbankabfragen.

Den Einsatz der DNA-Sequenzierung für die Identifizierung von Bakterien und Pilzen (Haut- und Schimmelpilze sowie Hefen) in der täglichen Routinediagnostik haben wir im Rahmen eines gemeinsamen Projektes des CVUA Stuttgart und des LHL (Landesbetrieb Hessisches Landeslabor) in Gießen genauer untersucht [2].

Hierfür haben wir insgesamt 78 Bakterien- und 51 Pilz-Isolate mit verschiedenen PCRs auf der Grundlage selbst entworfener Primer getestet, um Teilsequenzen der 16S rRNA- und rpoB-Gene (Bakterien) sowie der ITS/LSU-Gene (Pilze) zu vervielfältigen und anschließend durch einen kommerziellen Anbieter sequenzieren zu lassen. Die erhaltenen DNA-Sequenzen wurden mit Hilfe im Internet frei zugänglichen Datenbanken abgeglichen (BLAST [3], MycoBank [4]).

Mit Hilfe der gewonnenen Sequenzdaten des 16S rRNA- und des rpoB-Gens konnten 51 Prozent bzw. 86 Prozent der Bakterien-Isolate bis auf Spezies-Ebene bestimmt werden. Bei sehr eng verwandten Bakterien oder Bakterien, deren Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Spezies diskutiert wird, war eine Bestimmung auf Spezies-Ebene mit keiner der untersuchten Gensequenzen abschließend möglich. Betroffen hiervon waren Bakterien der Bacillus (B.) cereus-Gruppe, Bordetella (B.) pertussis/ B. parapertussis/ B. bronchiseptica, Brucella spp., Bakterien des Enterobacter cloacae-Komplexes, Escherichia coli/ Shigella spp., Staphylococcus (S.) hyicus/ S. agnetis und Yersinia (Y.) pseudotuberculosis/ Y. pestis.

Bei den Pilzen gelang die Bestimmung auf Speziesebene bei 63 Prozent der Isolate. Eine Identifizierung auf Gattungsebene gelang bei den Pilzgattungen Apiotrichum, Aspergillus, Cladosporium, Cryptococcus, Microsporum, Nannizziopsis, Penicillium, Trichosporon und Tolypocladium. Es handelte sich hierbei um mehre Pilzarten, die eng verwandt sind und deshalb innerhalb von Verwandtschaftsgruppen (Klade, Komplex, Gruppe, Sektion) zusammengefasst werden.

Schlussfolgerung

Neben der etablierten Identifizierung von Bakterien und Pilzen mittels MALDI-TOF MSÖffnet sich in einem neuen Fenster [5] steht uns in der Routinediagnostik für die Identifizierung dieser Mikroorganismen die DNA-Sequenzierung zur Verfügung.

Die Sequenzierung stellt bei schwierig zu identifizierenden oder neuen Bakterien- und Pilz-Arten eine unverzichtbare standardisierte und kostengünstige Hilfe dar. Die Technik gilt als Standard für die Identifizierung von Bakterien- und Pilz-Isolaten. Die Analyse des genetischen Codes stellt die wichtigste Basis für Datenbanken spektroskopischer Identifizierungsmethoden wie MALDI-TOF MS und für unsere mikrobiologische Isolate-Sammlungen dar (Abbildung 2). Darüber hinaus ergeben Sequenzen, die keinem Datenbankeintrag entsprechen, Hinweise auf mögliche bisher noch nicht beschriebene Bakterien- oder Pilzarten, was auch unseren Laboren in der Vergangenheit mehrfach gelungen ist [6, 7].

In den Pilz- und Bakterienkulturen wird durch Hitzebehandlung  Desoxyribonukleinsäure (DNA) extrahiert und anschließend durch Polymerase-Kettenreaktion vervielfältigt. In der DNA Sequenzierung wird dann mittels des Vergleichs der DNA Sequenzen die Bakterien oder Pilze identifiziert.
Zusammenhänge zwischen der Identifizierung von Bakterien- und Pilzkulturen aus der Routinediagnostik mittels DNA-Sequenzierung und MALDI-TOF MS-Analysen sowie Erweiterung der mikrobiologischen Sammlung.

Quellen

[1] Sanger F, Nicklen S, Coulson AR (1977). DNA sequencing with chain-terminating inhibitors. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Dec;74(12): 5463-5467.

[2] Sting R, Eisenberg T, Hrubenja M (2019). Rapid and reasonable molecular identification of bacteria and fungi in microbiological diagnostics using rapid real-time PCR and Sanger sequencing. J. Microbiol. Methods 159, 148-156.

[3] BLAST (Basic Local Alignment Search Tool) des NCBI (National Center for Biotechnology Information). https://blast.ncbi.nlm.nih.gov/Blast.cgiÖffnet sich in einem neuen Fenster

[4] MycoBank Database (Identification/Pairwise sequence alignment). www.mycobank.orgÖffnet sich in einem neuen Fenster

[5] Rau, J., Eisenberg, T., Männig, A., Wind, C., Lasch, P., Sting, R., 2016. MALDI-UP – An internet platform for the exchange of MALDI-TOF mass spectra. User guide for http://maldi-up.ua-bw.de/Öffnet sich in einem neuen Fenster. Aspects of Food Control and Animal Health (eJournal). Volume 2016 Issue 03 (August), 1-17. ISSN 2196-3460.

[6] Eisenberg, T., Glaeser. S.P., Nicklas, W., Mauder, N., Contzen, M., Aledelbi, K., Kämpfer, P., 2015. Streptobacillus felis sp. nov., isolated from a cat with pneumonia, and emended descriptions of the genus Streptobacillus and of Streptobacillus moniliformis. Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 2015 65(7): 2172-2178.

[7] Sammra, O., Rau, J., Wickhorst, J., Alssahen, M., Hassan, A.A., Lämmler, C., Kämpfer, P., Glaeser, S.P., Busse, H.J., Kleinhagauer, T., Knauf-Witzens, T., Prenger-Berninghoff, E., Abdulmawjood, A., Klein G., 2017. Arcanobacterium wilhelmae sp. nov., isolated from the genital tract of a rhinoceros (Rhinoceros unicornis).
Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 2017 67(7): 2093-2097.

Identifizierung von Bakterien und Pilzen mit Hilfe von Gensequenzen

Das 16S rRNA-Gen codiert für die sogenannten ribosomalen Proteine, die das Ribosom bilden. Ribosomen stellen die zentralen Bestandteile der Proteinsynthese von Organismen dar.

Das rpoB-Gen enthält die genetische Information für die β-Untereinheit der DNA-abhängigen RNA-Polymerase. DNA-abhängige RNA-Polymerasen sind Enzyme, die die Synthese von Ribonukleinsäuren (RNA) bei der Transkription der DNA katalysieren. Die prokaryotische RNA-Polymerase besteht aus den Untereinheiten α, β, β' und dem σ-Faktor. Öffentlichen Datenbanken für diese beiden Gene sind umfangreich und wachsen täglich [3].