Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Die weltweit auftretende Infektionskrankheit beginnt meist mit nur unspezifischen Symptomen, welche einer leichten Grippe ähneln und auf eine antibiotische Therapie hin in der Regel gut ansprechen.
Oft wird aber auch vergessen, dem Arzt von einem Kontakt mit einer Ratte zu berichten oder man hat diesen schlicht selbst gar nicht wahrgenommen. Denn es reicht bereits der indirekte Kontakt zu Ratten oder deren Ausscheidungen, und es bedarf nicht unbedingt eines Bisses, um die Krankheit zu übertragen. Hinzu kommt, dass es sich beim Rattenbissfieber-Erreger um Bakterien handelt, welche im Labor schwierig nachzuweisen sind, zudem gibt es international keine Meldepflicht für Rattenbissfieber. Daher weiß man über die wahre Vorkommenshäufigkeit des Erregers und der Erkrankung (Prävalenz und Inzidenz) nur sehr wenig. Allerdings heilt die Infektion ohne Antibiotika nicht einfach aus, sondern die Symptome verschlimmern sich oder kehren regelmäßig wieder. Hier sind neben dem Fieber ein an Masern erinnernder Hautausschlag, vor allem an den Handinnenflächen und Fußsohlen sowie eine Entzündung (Arthritis) an einem oder mehreren Gelenken zu erwarten. Gefürchtet sind die schwerwiegenden Komplikationen (bspw. Gehirnabszesse, Herzklappenentzündungen oder Septikämien), welche lebensbedrohlich sein können und eine mit verunreinigten Lebensmitteln assoziierte Erkrankung, welche als Haverhill-Fieber bezeichnet wird und in der Vergangenheit oft größere Personengruppen betraf.
Eine Erkrankung – zwei (oder mehr?) Erreger
Schon vor fast einem Jahrhundert galt es als gesichert, dass der wichtigste Rattenbissfieber-Erreger das Bakterium Streptobacillus (S.) moniliformis ist. Allerdings gibt es historisch vor allem in Asien auch noch einen zweiten Erreger, Spirillum minus, der bei Rattenbissen auf den Menschen übertragen werden kann und sehr ähnliche Symptome auslöst wie oben beschrieben. Seit dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) bereits 2013 der Nachweis eines Streptobacillus-Bakteriums aus einer Katze mit Lungenentzündung gelang, hat der LHL sich intensiv mit der Erregergruppe rund um das Rattenbissfieber beschäftigt.
Durch zahlreiche nationale und internationale Kooperationen mit anderen Arbeitsgruppen hat der LHL in den vergangenen Jahren fünf neue Bakterienarten aus und um die Gattung Streptobacillus beschrieben, von welchen einige ebenfalls bei Ratten vorkommen. Damit konnte das spärliche Wissen um diese Bakterien bereits deutlich erweitert werden. Vor wenigen Monaten wurde bei zwei japanischen Patienten der erste Beweis erbracht, dass zumindest eine der vom LHL neu beschriebenen Spezies tatsächlich ebenfalls Rattenbissfieber beim Menschen auslöst, sodass inzwischen mindestens drei unterschiedliche Bakterien dieselbe Erkrankung beim Menschen verursachen. Auch Tiere sind für Streptobazillen empfänglich, darunter Haus-, Heim- und Nutztiere sowie Exoten, wobei Ratten normalerweise die „stillen“ Träger dieser Bakterien sind, ohne zu erkranken.