Blaumeise die auf einem Moosteppich steht

Meisensterben in Hessen — Nachweis von Suttonella ornithocola spricht für bakterielle Infektion

In Hessen wird seit dem Frühjahr 2020 ein vermehrtes Meisensterben beobachtet. Untersuchungen des Hessischen Landeslabors zufolge ist dafür eine Infektion mit dem Bakterium Suttonella ornithocola verantwortlich. Eine Gefährdung von Menschen oder anderen Tieren besteht nicht. Wissenschaftler des Landeslabors haben die Diagnostik der Erkrankung optimiert.

Im April dieses Jahres gelangten in Hessen plötzlich stark vermehrt verstorbene Blaumeisen und einzelne andere Singvögel zur Untersuchung und Abklärung der Todesursache in die Veterinärabteilung des Landesbetriebs Hessisches Landeslabor (LHL). Die Tiere fielen den Einsendern zuvor meist durch unspezifische Krankheitssymptome wie Apathie, Abmagerung, ein aufgeplustertes Gefieder, Verlust der natürlichen Scheu vor dem Menschen oder aufgrund vermehrter Totfunde auf. Nach Berichten zu ähnlichen Fällen von gehäuftem Meisensterben in Großbritannien im Jahr 1996 und der erstmaligen Beschreibung von Suttonella ornithocola als verursachendes Bakterium (Foster et al. 2005) traten bereits 2018 in Nordrhein-Westfalen Fälle mit identischer Symptomatik somit auch in Deutschland auf (Merbach et al. 2019). Sowohl die Jahreszeit als auch die bei der Obduktion im LHL festgestellten Befunde einer Lungenentzündung bei den betroffenen, vorwiegend männlichen Blaumeisen passen sehr gut zu den bereits beschriebenen Krankheitsausbrüchen und dem damit assoziierten Erreger Suttonella ornithocola. Neben herdförmigen Lungenentzündungen mit Bakteriennachweis treten gehäuft auch Darmentzündungen bei den erkrankten Vögeln auf.

Suttonella-Bakterien machen Vögel krank

Neben einer Vielzahl von Krankheitserregern, darunter Vogelgrippe-, Westnil- und Usutuviren, Salmonellen und Endoparasiten, die für Erkrankungs- und Todesursachen heimischer Vogelarten verantwortlich gemacht werden können, waren in den vorliegenden hessischen Fällen von gehäuftem Meisensterben bislang nur die Suttonella-Bakterien zu finden. Lediglich bei einem der Vögel mit Sutonella-Bakterien wurden zusätzlich auch Mykoplasmen nachgewiesen.

In der Literatur ist der Erreger Suttonella vor allem bei Blaumeisen, aber auch bei Tannen-, Schwanz- und Kohlmeisen nachgewiesen worden. Im eigenen Untersuchungsmaterial finden sich nun auch Hinweise auf ein Vorkommen bei der Heckenbraunelle (Prunella modularis).

Keine Gefahr für Menschen oder andere Tieren

Mittlerweile gibt es laut NABU neben Hessen auch Tausende Nachweise in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Niedersachsen. Allerdings darf man die Zahl der momentan von besorgten Bürgerinnen und Bürgern gemeldeten Vögel nicht automatisch gleichsetzen mit diesem Erregernachweis. In Hessen gibt es derzeit Nachweise von Suttonella-Bakterien bei Vögeln aus den Landkreisen Limburg-Weilburg, Lahn-Dill, Vogelsberg, Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder, Main-Taunus, Fulda und Werra-Meißner. Ein Gefährdungspotential für den Menschen oder andere Tierarten besteht nicht. Es wird dennoch empfohlen, erkrankte oder tote Vögel nur mit Einweghandschuhen anzufassen. In Absprache mit dem zuständigen Kreis-Veterinäramt können verendete Singvögel an den LHL zur Abklärung der Todesursache eingesandt werden, wobei auf einen möglichst frischen Erhaltungszustand des Tierkörpers geachtet werden sollte.

Wissenschaftler des Hessischen Landeslabors haben Diagnostik optimiert

Das „Meisenbakterium“ kann dabei übrigens leicht auf den Standard-Kulturmedien im veterinär-bakteriologischen Labor angezüchtet werden und war bei den mittlerweile vielen bestätigten Nachweisen in hoher Dichte und meist als einziges Bakterium zu finden. Leider sind standardisierte Tests bei solchen seltenen Tierkrankheiten Mangelware. Wissenschaftler des Hessischen Landeslabors haben nun den angezüchteten Erreger molekularbiologisch bestätigt und charakteristische Massenspektren davon erzeugt. Damit lässt sich der spezifische Nachweis schnell, effizient und ohne zusätzliche Kosten in die vorhandene Laborroutine einbinden und auch zwischen Laboren austauschen. Das heute standardmäßig für den Nachweis von Krankheitserregern genutzte Verfahren der Flugzeit-Massenspektrometrie beweist somit auch in Krisenzeiten seine Anwenderfreundlichkeit und Praxistauglichkeit. Anfragen interessierter Labore können gerne an den LHL gerichtet werden. Details finden sich ferner unter https://maldi-tof-ms-user-platform.ua-bw.de/Öffnet sich in einem neuen Fenster.

Links:

Information Homepage NABU: Mysteriöses Meisensterben – Melden Sie uns kranke und tote BlaumeisenÖffnet sich in einem neuen Fenster

Pressemitteilung des NABU vom 22.04.2020: Futterstellen und Tränken zum Schutz der Blaumeisen abbauen Öffnet sich in einem neuen Fenster

Pressemitteilung Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) vom 17.04.2020Öffnet sich in einem neuen Fenster

Pressemitteilung Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz vom 15.04.2020: Blaumeisen-Sterben: Hinweise zur Diagnostik Öffnet sich in einem neuen Fenster

zeit.de vom 22.04.2020: Ursache für vermehrtes Sterben von Blaumeisen gefundenÖffnet sich in einem neuen Fenster

Literatur

Foster G, Malnick H, Lawson PA, Kirkwood J, Macgregor SK, Collins MD (2005): Suttonella ornithocola sp. nov., from birds of the tit families, and emended description of the genus Suttonella. Int Syst Evol Microbiol 55: 2269-2272

 

Merbach S, Peters M, Kilwinski J, Reckling D (2019): Suttonella ornithocola-associated mortality in tits in Germany. Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 0005-9366/2019/18065