Ein Honiglöffel mit abtropfenden Honig

Mad Honey – Verrückter Honig

Immer häufiger wird durch Zoll und Grenzbehörden sogenannter „Mad Honey“ sichergestellt. Dabei handelt sich es um eine besondere Art von Honig, der pharmakologisch wirksame Substanzen aus bestimmten Rhododendronarten enthält.

Schon seit der Antike ist bekannt, dass bestimmte Honigsorten von Rhododendronarten der türkischen Schwarzmeerküste halluzinogene Wirkungen entfalten können. Mit dem Honig vergiftete Feinde konnten griechischen Überlieferungen nach einfach überwältigt werden. Auch in Südasien, insbesondere Nepal und Mittelamerika sind Rhododendronarten bekannt, die in ihren Blüten, Blättern sowie Pollen und Nektar neurotoxische Wirkstoffe bilden. Die aus diesen Rhododendronarten gewonnen Honigsorten werden auch als Pontischer Honig oder Tollhonig bezeichnet.

Auslöser für die schon in der Antike beschriebenen Wirkungen des Mad Honey sind Grayanotoxine, die über den Pollen und den Nektar der Rhododendronblüte in den Honig gelangen. Diese als Grayanotoxin I bis III beschriebenen Substanzen unterscheiden sich sowohl in ihrer Toxizität als auch in ihrer Wirkung auf den Konsumenten. Sie lösen schon bei Aufnahme von kleinsten Mengen – weniger als 5 g Honig – zentralnervöse, gastrointestinale und kardiovaskuläre Beschwerden aus. Eine leichte Vergiftung zeigt sich in Bewusstseinsstörungen, übermäßigem Schwitzen, starker Übelkeit, Schwindel, abfallendem Blutdruck und einer Verlangsamung der Herzfrequenz. Je nach aufgenommener Menge kann es zu schweren Vergiftungen kommen, die ohne sofortige ärztliche Versorgung lebensbedrohlich verlaufen können.

Die Gefahr liegt dabei in der Aufnahme einer unbekannten Menge von Grayanotoxinen, je nachdem, ob der Honig durch Mischung mit anderen Sorten verdünnt wurde oder es sich um ein Primärprodukt handelt. Vergiftungsfälle mit türkischen Honigsorten zu Anfang der 2000er Jahre in der Schwarzmeerregion wurden darauf zurückgeführt, dass die Honige dort individuell von lokalen Imkern verkauft wurden. Hierdurch entfiel eine Verdünnung vorhandener Grayanotoxine durch Mischung mit Honigen anderer Herkunft. 

Ein Glas mit pontischem Honig und Inhaltsbeschreibung

Der Toxingehalt des Honigs ist außerdem abhängig von der Jahreszeit. Im Frühling gewonnener Honig enthält erfahrungsgemäß mehr Grayanotoxin als später im Jahr produzierter Honig. Ob die Grayanotoxine durch das Erhitzen bei der kommerziellen Honigherstellung zerstört werden, ist noch nicht geklärt. Bemerkenswert ist, dass die Grayanotoxine für die den Honig herstellenden Bienen ungefährlich sind.

In der Türkei wird Pontischer Honig als alternative Medizin gegen Schmerzen, Sodbrennen und als Aphrodisiakum genutzt. Andere Länder, wie z.B. Tibet, exportieren ebenfalls Grayanotoxin-haltigen Honig. Aber auch Honig, der an anderen Pflanzen gewonnen wurde, kann psychoaktive Substanzen enthalten: in Neuseeland wird aus dem Nektar der Tutapflanze ein Honig gewonnen, der Tutin und Mellitoxin enthält und schon bei Aufnahme von geringen Mengen zu Übelkeit und Erbrechen führen kann. Honig, der aus Lorbeerrosen gewonnen wurde, führt gelegentlich in den USA zu Vergiftungen.

Schwunghafter Internethandel

Mittlerweile finden diese Honige über Angebote, die im Internet gemacht werden, ihren Weg auch in deutsche Haushalte. Häufig werden in den Beschreibungen gesundheitsfördernde Wirkungen angepriesen, die durch den Genuss von Grayanotoxin-haltigem Honig ausgelöst werden sollen. Auch die berauschende Wirkung wird unverhohlen angesprochen. Einige Anbieter weisen in ihren Shops auf mögliche Nebenwirkungen hin oder geben die Empfehlung ab, dass nur erwachsene Personen den Honig konsumieren sollten. Doch sind diese Einschränkungen immer wieder in untergeordneten Bereichen zu finden oder werden von den angeblich positiven Wirkungen eingerahmt.

Verzehrhinweise in den Artikelbeschreibungen der Shops sollen es den Kunden ermöglichen, den Honig gefahrlos zu konsumieren. Dabei bleibt aber unbeachtet, dass der Honig als Naturprodukt starke Schwankungen an Grayanotoxingehalten aufweisen kann. Die mögliche Abweichung ist gewaltig und kann je nach Wuchsort der Pflanzen, Erntezeitpunkt, Bodenbeschaffenheit und anderen Parametern stark variieren. Somit sind Verzehrempfehlungen und Mengenangaben wie „Messerspitze“ oder „Esslöffel“ ohne Wert und können im schlimmsten Fall zu massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Besonders Personen mit Vorerkrankungen oder Kinder gehen mit dem Verzehr von „verrücktem Honig“ ein hohes gesundheitliches Risiko ein.

Ein Glas mit pontischen Honig und Inhaltsbeschreibung

Experten warnen vor dem Verzehr

Seit längerem verzeichnet die Tierärztliche Grenzkontrollstelle am Frankfurter Flughafen einen starken Anstieg von Importware an Pontischem Honig. So wurden in den ersten Monaten des laufenden Jahres bereits rund 140 Sendungen mit Mad Honey aus dem Verkehr gezogen. Vor allem die Warenbeschreibungen waren dabei häufig mangelhaft und ließen keine Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Honigs oder einen möglichen Gehalt an Grayanotoxinen zu.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät in seinen Veröffentlichungen vom Genuss von Rhododendron-Honigen aufgrund der potentiell schädlichen Wirkungen durch erhöhte Grayanotoxingehalte ab.

Die Mitarbeiter des Hessischen Landeslabors – Tierärzte und Lebensmittelchemiker - warnen ebenso davor, die bestehende Import-Freigrenze von zwei Kilogramm Honig als Freibrief zu nehmen und aus den betreffenden Anbaugebieten selbst Honig nach Deutschland mitzubringen und dadurch die eigene Gesundheit zu gefährden. Sollte bei Kontrollen von Paketen im Internationalen Postzentrum oder im Reiseverkehr Mad Honey durch den Zoll entdeckt werden, muss dieser wegen des Risikos für den Verbraucher entnommen und vernichtet werden.