Wildschwein im Wald

Trichinellen-Fund bei einem Wildschwein aus dem Vogelsbergkreis

Bei einem im Vogelsbergkreis erlegten Wildschwein wurde bei der Verfolgsuntersuchung im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor ein Befall mit Trichinellen eindeutig bestätigt.

Was sind Trichinellen?

Trichinellen (häufig auch als Trichinen bezeichnet) sind winzige Fadenwürmer mit parasitischer Lebensweise. Säugetiere, Vögel und auch Reptilien dienen als Zwischen- bzw. Endwirte. Die ca. ein mm kleinen Fadenwürmer besiedeln im Larvenstadium die Muskulatur ihres Wirtes und können dort über einen sehr langen Zeitraum infektiös bleiben. In Deutschland wie in anderen europäischen Ländern ist Trichinella (T.) spiralis die wichtigste Erregerart. Weitere Arten des Krankheitserregers sind unter anderem T. pseudospiralis, T. nativa und T. britovi.

Zoonose

Infektionen mit Trichinellen, die sogenannten Trichinellosen, kommen weltweit vor und gelten als mild bis tödlich verlaufende Zoonosen, d.h. vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheiten.

Der Mensch ist gegenüber den Trichinellen hoch empfänglich, wobei besonders Haus- und Wildschweine als Reservoire für eine menschliche Infektion in Frage kommen. In anderen Regionen der Welt sind in diesem Zusammenhang auch Bären und Robben als Reservoire zu nennen. Weitere Infektionsquellen sind ebenfalls empfängliche Tierarten, wie Nager, insbesondere Ratten, Hunde und Katzen sowie einige Wildtiere, wie Krähen, Dachse und Waschbären.

Infektionsgeschehen

Werden diese Larven nun durch Verzehr von rohem oder ungenügend erhitztem Fleisch von einem anderen empfänglichen Tier oder dem Menschen aufgenommen, erfolgt durch Verdauungsenzyme im Magen zunächst deren Freisetzung aus der Muskulatur mit anschließendem Weitertransport in den Dünndarm. Nach der Entwicklung zum ausgewachsenen Wurm und Paarung im Darm wird von den weiblichen Trichinellen eine hohe Anzahl von Larven freigesetzt. Über die Blutgefäße gelangen diese dann erneut in die Muskulatur, wobei gut durchblutet Körperregionen besonders betroffen sind. Eine Infektionsfähigkeit in dem neuen Wirt ist etwa nach zwei bis drei Wochen gegeben. Die etwa ein mm großen Larven befinden sich- mit Ausnahme der Larven von T. pseudospiralis- spiralförmig aufgerollt in einer Kapsel, die nach sechs bis zwölf Wochen verkalkt.

 

Eine Trichinella-Larve aufgerollt in einer Muskelzelle
Eine Trichinella-Larve aufgerollt in einer Muskelzelle

Krankheitssymptome

Etwa ein bis zwei Wochen nach der Aufnahme der Larven über rohes oder unzureichend erhitztes Fleisch treten abhängig von der Trichinellen-Art, der Wirtsabwehr und der Anzahl aufgenommener Trichinellen-Larven (mindestens etwa 100 – 300 Larven) erste klinische Symptome auf. Dabei rufen die im Darm befindlichen erwachsenen Trichinellen, wenn überhaupt, zunächst Übelkeit und Durchfall hervor (sogenannte enterale Phase).

Wesentlich schwerwiegendere Krankheitsbilder entstehen durch die über die Blutbahn vom Darm zur Muskulatur wandernden Larven (Migrationsphase). Dazu gehören Schüttelfrost, begleitet von hohem Fieber und ausgeprägte Muskelschmerzen mit Schwellungen und Bewegungsstörungen, die auch die Augenmuskulatur und /oder die Schluckmuskulatur betreffen können. Ein Befall der Herzmuskulatur kann zu schwerwiegenden Herzmuskelentzündungen, Herzrhythmusstörungen sowie Kreislaufversagen, auch mit Todesfolge, führen. Wandern die Larven ins zentrale Nervensystem, können Gehirnentzündungen, psychotische Zustände, Krampfanfälle und Koma eintreten. Im ZNS eingekapselte Larven können in der sog. späten Phase Funktionsstörungen durch örtlich begrenzte Gehirnveränderungen verursachen.

Jede Trichinellose des Menschen ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

Diagnostik

Bei verdächtiger klinischer Symptomatik und entsprechendem Vorbericht sollte frühzeitig die Trichinellose abgeklärt werden. Dazu stehen Labordiagnostische Methoden zur Verfügung. Erste Hinweise gibt bereits das Differenzialblutbild, da bei der Mehrheit der betroffenen Patienten bereits in der 1. Phase der Infektion, der sog. enterale Phase, eine Vermehrung bestimmter weißer Blutkörperchen in Form einer sogenannten „Eosinophilie“ auftritt. Während der Migrationsphase ist im Blutbild die Kreatinkinase (CK) erhöht. Auch eine Unrinuntersuchung und EKG Veränderungen weisen auf eine Trichinellose hin. Die weitere labordiagnostische Eingrenzung des Anfangsverdachts einer möglichen Trichinellen-Infektion erfolgt dann durch den Antikörpernachweis (ELISA oder Immunoblot).

In seltenen Fällen wird eine feingewebliche (histologische) Untersuchung von Muskelbiopsie-Proben erforderlich sein, um die Diagnostik der Trichinella-Infektion zweifelsfrei zu bestätigen. Durch Einsatz der Polymerasekettenreaktion (PCR) lässt sich dann meist auch die genaue Trichinellen-Art bestimmen.

Therapie

Therapiemaßnahmen gelten als effektiv, vor allem, wenn sie möglichst frühzeitig eingeleitet werden, um Spätschäden, wie z.B. irreversible Schäden an der Muskulatur, zu vermeiden. Zur Therapie betroffener Patienten eignen sich so genannte Wurmmittel (Anthelmintika) auf der Basis von Benzimidazolen (Mebendazol/Albendazol).

Prävention

Als wichtigste präventive Maßnahme zur Bekämpfung möglicher Trichinellen-Infektionen gilt nach wie vor die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung der Lebensmittel liefernden Tiere. Sie wird im Rahmen der amtlichen Schlachttier-und Fleischuntersuchung in den Mitgliedsstaaten der EU durch die Veterinärbehörden durchgeführt und ist detailliert in der Durchführungsverordnung (EU) 2015-1375 beschrieben. Das Fleisch von Schweinen, Wildschweinen sowie anderen, gegebenenfalls als Trichinellen-Träger infrage kommenden Tierarten darf erst dann als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, wenn diese Untersuchung eindeutig negativ verlaufen ist.

Als eine zusätzliche, sichere Möglichkeit der Prävention gegenüber einer Trichinellen-Infektion bietet sich die Wärmebehandlung der Lebensmittel vor dem Verzehr an. Kerntemperaturen des Fleisches von mindestens 70 °C über einen Zeitraum von 60 Sekunden töten die Trichinellen-Larven sicher ab. Risiken bestehen bei unzureichender Temperatur im Innern des Fleischstücks.

Das Räuchern, Pökeln, Trockenen sowie auch das Tieffrieren zur Unschädlichmachung von Trichinellen-Larven stellen beim Wildschwein keine sicheren Methoden zur Abtötung der Parasiten dar.

Prävalenz und Epidemiologie

Im Rahmen der in Deutschland obligatorischen Untersuchung werden jährlich mehr als 50 Millionen Hausschweine und 400.000 Wildschweine getestet. In Deutschland treten Trichinellen nur noch äußerst selten auf. Bei Haustieren wie Schweinen werden diese seit vielen Jahren nur sehr selten bei Tieren mit Freilandhaltung gefunden, zuletzt 2018. Auch bei Wildtieren sind derartige Befunde ein seltenes Ereignis. Die Nachweisrate bei Wildschweinen beträgt nur noch 0,007 Prozent. Daher wird die Trichinellose beim Menschen in Deutschland vorwiegend als eine Erkrankung angesehen, die entweder im Ausland erworben oder durch illegale Fleisch- und Fleischwarenimporte aus Drittländern hervorgerufen wird.

Aktueller Fall ist ein seltenes Ereignis

Im vorliegenden Falle wurde der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) darüber in Kenntnis gesetzt, dass in der Trichinen- Untersuchungsstelle des Amtes für Verbraucherschutz und Veterinärwesen des Landkreises Hersfeld-Rotenburg im Rahmen der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung ein Trichinellen-verdächtiges Wildschwein identifiziert wurde. Proben des etwa 82 Kilogramm schweren und am 25.07.2023 in Hirscheiche Feldatal erlegten Tieres wurden daraufhin im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor nachuntersucht und zur Typisierung an das Nationale Referenzlabor für Trichinella (NRL Trichinella) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin gesendet. Das betroffene Tier wurde ordnungsgemäß unschädlich beseitigt.

Trichinella-Larven in Digestionsflüssigkeit
Trichinella-Larven in Digestionsflüssigkeit

Sowohl in der ursprünglichen, als auch in erneut entnommenen Proben des betroffenen Wildschweins konnte die anfängliche Verdachtsdiagnose eindeutig bestätigt werden. Das Tier war nach dem Ergebnis der Erstuntersuchung am LHL mit 24 Laven/g Skelettmuskulatur deutlich befallen. Das NRL Trichinella hat den Befund erneut bestätigt. Die Trichinella- Larven wurden mittels PCR als T. pseudopiralis identifiziert.

Die in diesem Fallbericht dokumentierte Trichinella-Infektion eines Wildschweins stellt ein seltenes Ereignis in Hessen dar. Der letzte Trichinellen-Larven Fund in Hessen liegt 6 Jahre zurück. Auch damals war ein Wildschwein betroffen.