Kühe und Schafe auf einer Wiese

Blauzungenkrankheit in Hessen

In der Vergangenheit gab es im Rahmen von zwei europaweiten Epizootien mit Beginn 2006 bzw. 2018 Fälle der Blauzungenkrankheit in Deutschland und auch Hessen zu vermelden. Laut Tiergesundheitsrecht der europäischen Union konnte Hessen zuletzt im Jahr 2022 jedoch als Blauzungenkrankheit (BTV) freies Gebiet wieder aus den Regelmaßnahmen zur Eindämmung der Tierseuche entlassen werden.

Ende 2023 wurden in den Niederlanden, Belgien und Teilen Deutschlands nun erneut Fälle von BTV registriert. Mit einem Nachweis bei einem Rind aus dem Vogelsbergkreis vom 5. Juli 2024 hat die Krankheit auch wieder Hessen erreicht.

Probennahme und Analytik

Der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) führt Untersuchungen auf BTV-Viren oder –Antikörper im Rahmen von Transportuntersuchungen, Verdachtsabklärungen, Ausschlussuntersuchungen und der passiven Überwachung durch. Auch die Untersuchungen, welche für europarechtlich vorgeschriebene Tilgungs- bzw. Überwachungsprogramme erfolgen müssen, werden am LHL durchgeführt (s.a. unten). Für Transportuntersuchungen im Rahmen des BTV-Ausbruchs 2018 ff. wurden beispielsweise im Jahre 2019 mehr als 20 000 Proben untersucht.

Für Untersuchungen auf Blauzungenvirus sollten EDTA-Blutproben eingesendet werden, da der Erreger an rote Blutkörperchen angeheftet im Organismus infizierter Tiere zirkuliert. Auch Untersuchungen auf Antikörper können aus diesem Probenmaterial durchgeführt werden.

Bei Probeneinsendungen für Transportuntersuchungen ist die Ankündigung von Einsendungen beim LHL empfehlenswert, insbesondere wenn der Probeneingang absehbar weniger als 1 Woche vor dem geplanten Transporttermin erfolgen wird oder nicht nur Einzelproben eingesendet werden sollen.

BTV-Tilgungsprogramm und fortlaufende BTV-Überwachung

Aufgrund des Erregernachweises auf hessischem Hoheitsgebiet hat Hessen seinen Status als BTV-frei verloren. Dadurch gelten ab sofort strikte Vorgaben für Transporte von BTV-empfänglichen hessischen Tieren in BTV-freie Gebiete, auch innerhalb Deutschlands. Dies ist nur unter Auflagen gestattet. Informationen über die geltenden Regelungen finden Sie hierÖffnet sich in einem neuen Fenster. Um wieder in den Status der BTV-Freiheit zu kommen bedarf es aber erheblicher Anstrengungen.

Basierend auf den rechtlichen Regelungen im Tiergesundheitsrechtsakt können bestehende BTV-Sperrgebiete ausschließlich nach Abschluss eines EU-Rechts-konformen Tilgungsprogramms wieder frei erklärt werden. Hier greift nicht mehr die Regelung des alten Rechts, welches eine weitgehend automatische Aufhebung nach 2 Jahren ohne neue Virusnachweise ermöglichte.

Das Tilgungsprorgamm folgt den folgenden Vorgaben:

  • Es ist anzuwenden auf das gesamte zu dem Zeitpunkt bestehende Sperrgebiet, zzgl. Gebieten innerhalb eines Gürtels der Breite 150 km um die Grenze des Sperrgebietes
  • Verteilt auf die gesamte Fläche sind Blutproben von Rindern auf BTV mittels PCR zu untersuchen. Die Anzahl zu untersuchender Proben wurde zuvor festgelegt. Um die erforderliche Zahl repräsentativ auf das gesamte überwachte Gebiet zu verteilen, wurde die Zahl zu untersuchender Proben jeweils pro Landkreis oder kreisfreier Stadt festgelegt.
  • Untersucht werden Proben, welche zwischen November und März entnommen werden. Diese werden am LHL aus den Einsendungen an Blutproben zur Untersuchung auf BHV-1/Leukose/Brucellose selektiert. Einzelne Tierhalter*innen müssen hier also nicht selbst aktiv werden.
  • Die untersuchten Tiere müssen bestimmte Bedingungen erfüllen (u.a.: nicht geimpft, >6 Monate alt; Aufenthalt des Tieres im betrachteten Landkreis für mind. einige Monate vor der Probenahme)
  • Sofern im Februar ersichtlich wird, dass für bestimmte Landkreise das Proben-Soll deutlich unterschritten wird, veranlassen die jeweiligen Veterinärämter gezielte Probenahmen (nach Aufforderung durch HMLU).

Zudem ist vorgeschrieben, dass auch für Gebiete, die als frei von BTV anerkannt sind, eine aktive Überwachung stattfinden muss. Für die Überwachung in anerkannt freien Gebieten sind allerdings deutlich geringere Probenzahlen pro Fläche erforderlich, sodass der Aufwand geringer ist.

Was ist die Ursache der Blauzungenkrankheit?

Ursache der Blauzungenkrankheit ist das Bluetongue-Virus (BTV) aus dem Genus Orbivirus der Familie Reoviridae. Die Virusspezies BTV teilt sich in eine Vielzahl verschiedener Varianten (Serotypen bzw. Genotypen). Für die eigentliche Blauzungenkrankheit sind hiervon die Serotypen 1-24 relevant.  Diese werden ausschließlich durch stechende Insekten („Gnitzen“) übertragen. Eine direkte Tier-zu-Tier-Übertragung findet nicht statt. Die Ausbreitung der Infektion ist durch die Vektorbeteiligung allerdings auch deutlich schwerer zu kontrollieren.

Darüber hinaus sind bisher mindestens 8 weitere Varianten bekannt (bezeichnet als „BTV 25“, „BTV 26“ usw.), die nicht die typische Form der Blauzungenkrankheit auslösen, sondern oft auch bei gesunden Tieren, v.a. Ziegen und Schafen, gefunden werden. Diese Varianten werden daher als „atypische“ BTV bezeichnet. Ein weiterer Unterschied zwischen den „klassischen“ BTV-Stämmen und den atypischen, besteht darin, dass atypische BT-Viren zwischen empfänglichen Tieren auch durch Kontakt untereinander übertragen werden können.

Welche Tiere sind empfänglich für das Virus?

Empfänglich für BTV-Infektionen sind allgemein Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen, Hirsche, Rehe), aber auch Kameliden. Atypische BTV-Stämme verursachen soweit bekannt keine klinischen Symptome. Bei Infektionen mit den Serotypen 1-24 kann es zu Erkrankungen unterschiedlicher Schwere kommen. Typisch sind Fieber sowie Schwellungen und Rötungen im Bereich der Augen, der Nase, des Mauls, der Füße und/oder der Geschlechtsorgane. Teilweise sind Haut- oder Schleimhautablösungen zu beobachten. Für den Menschen sind alle BTV-Serotypen ungefährlich.

Wie kann man Tiere vor der Infektion schützen?

Der einzige zuverlässige Möglichkeit Tiere vor klinischer Erkrankung und auch der Infektion als solcher zu schützen sind Impfungen. Die Impfung muss allerdings angepasst an den zirkulierenden Serotyp erfolgen, da der Schutz serotypspezifisch ist. D.h. Eine Impfung mit einem BTV-8-Impfstoff bewirkt nur einen Schutz gegen Infektionen mit BTV Serotyp 8 und nicht bspw. gegen Infektionen mit BTV-Serotyp 3.

Für den BTV Serotyp 3 wurden mehrere Impfstoffe entwickelt, deren Anwendung in Hessen inzwischen auch vom hessischen Landwirtschaftsministerium gestattet wurde. Solange diese allerdings noch keine offizielle, vollwertige Zulassung erhalten haben, sind solche Impfungen nicht für die Erleichterung von Tiertransporten in BTV-freie Gebiete gültig. Allerdings können Sie einen wichtigen Beitrag leisten, um schwere Erkrankungen und Tierverluste zu vermeiden und die Ausbreitung von BTV-3 innerhalb Deutschlands zu verlangsamen.

Da auch die BTV-Serotypen 8 und 4 weiterhin in Teilen Europas zirkulieren und ein Eintrag dieser Stämme unvorhergesehen erfolgen kann, sind auch Impfungen gegen diese zu erwägen. Hier existieren zugelassene Impfstoffe, welche über die üblichen Handelswege bezogen werden können.

Um den Infektionsstatus im Falle von zukünftigen Untersuchungen der Tiere eindeutig beurteilen zu können, müssen Impfungen gegen BTV der zuständigen Veterinärbehörde gemeldet werden (LinkÖffnet sich in einem neuen Fenster zu Allgemeinverfügung). Andernfalls droht im Falle von Labornachweisen BTV-spezifischer Antikörper die Wertung solcher Ergebnisse als BTV-Ausbruch.