Ein Kalb säugt am Euter einer Kuh auf der Weide

Blauzungenkrankheit in Hessen

In der Vergangenheit war Europa bisher zweimal, in 2006 sowie in 2018, von flächendeckenden Epizootien der Blauzungenkrankheit des Serotyps 8 betroffen. Seit Herbst 2023, beginnend in den Niederlanden, grassiert nun der zuvor nicht in Mittel- und Nordeuropa verbreitete Serotyp 3, der sich im Laufe von 2024 in kurzer Zeit, unter anderem über ganz Deutschland, ausbreitete.

Ende 2023 wurden in den Niederlanden, Belgien und zu diesen Ländern grenznahen Regionen Deutschlands erste Fälle von BTV des Serotyps 3 (BTV-3) registriert. Der erste Nachweis in Hessen erfolgte bei einem Rind aus dem Vogelsbergkreis am 5. Juli 2024. Im Laufe des Sommers und Herbstes breitete sich BTV-3 rasant über das deutsche Bundesgebiet und insgesamt über Mittel- und Nordeuropa aus. Weitere BTV-Serotypen sind in Nachbarländern – teils bereits seit Längerem – präsent (BTV-4 in Österreich, BTV-8 in der Schweiz und Frankreich, BTV-12 in den Niederlanden). Insbesondere die Entwicklung rund um den Serotyp 12 im anstehenden Sommer und Herbst 2025 bleibt abzuwarten. Dieser Serotyp wurde Ende 2024 neu in die Niederlande eingetragen. Gegen ihn stehen, im Gegensatz zu den anderen erwähnten Serotypen, bislang keine Impfstoffe zur Verfügung.

Probennahme und Analytik

Der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) führt Untersuchungen auf BTV-Viren oder –Antikörper im Rahmen von Transportuntersuchungen, Verdachtsabklärungen, Ausschlussuntersuchungen und der passiven Überwachung durch. Auch Untersuchungen, welche für europarechtlich vorgeschriebene Tilgungs- bzw. Überwachungsprogramme erfolgen müssen, werden am LHL durchgeführt (s.a. unten). Für Transportuntersuchungen im Rahmen des BTV-Ausbruchs 2018 ff. wurden beispielsweise im Jahre 2019 mehr als 20 000 Proben untersucht.

Für Untersuchungen auf Blauzungenvirus sollten EDTA-Blutproben eingesendet werden, da der Erreger an rote Blutkörperchen gebunden im Organismus infizierter Tiere zirkuliert. Auch Untersuchungen auf Antikörper können aus diesem Probenmaterial durchgeführt werden.

Bei Einsendungen mit besonderer Eile oder wenn nicht nur Einzelproben eingesendet werden, ist die Ankündigung von Einsendungen beim LHL empfehlenswert. 

Fortlaufende BTV-Überwachung

Aufgrund des Erregernachweises auf hessischem Hoheitsgebiet hat Hessen derzeit seinen Status als BTV-frei verloren. Dadurch gelten strikte Vorgaben für Transporte von BTV-empfänglichen hessischen Tieren in BTV-freie Gebiete. Dies ist nur unter Auflagen gestattet. Es findet aber im Gegensatz zum Ausbruch in 2006 und Folgejahren aufgrund eines inzwischen neu verabschiedeten EU-Tiergesundheitsrechts keine staatliche Bekämpfung dieser Tierseuche mit dem Ziel der vollständigen Elimination des Erregers mehr statt. Vielmehr obliegt es zukünftig den Tierhaltern, durch Impfungen, Repellent-Behandlungen und Verbringungsbeschränkungen der Ausbreitung dieser Tierseuche entgegenzuwirken. Informationen über die geltenden Regelungen finden Sie hierÖffnet sich in einem neuen Fenster.

Aktuell ist ein Ende des BTV-3 Geschehens in Mitteleuropa nicht in Sicht. Daher erfolgt eine fortgesetzte Überwachung des Seuchengeschehens anhand von Untersuchungen an Verdachtsproben und gezielt ausgewählten Monitoringproben. Erst wenn sich in den kommenden Jahren ein Nachlassen der BTV-3 Zirkulation abzeichnen sollte, kann eventuell darüber nachgedacht werden den Status BTV-frei zurück zu erlangen. Einträge von BT-Viren anderer Serotypen würden dies allerdings verzögern.

BTV-Tilgungsprogramm

Um wieder in den Status der BTV-Freiheit zu kommen, bedarf es erheblicher Anstrengungen. Basierend auf den rechtlichen Regelungen im EU-Tiergesundheitsrechtsakt können bestehende nicht BTV-freie Gebiete ausschließlich nach Abschluss eines EU-Rechts-konformen Tilgungsprogramms wieder frei erklärt werden. Dazu ist es erforderlich, eine festgelegte Anzahl von Rinderblutproben pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt auf BTV zu untersuchen, welche im Laufe der Wintermonate entnommen werden müssen. Für die Auswahl der zu untersuchenden Tiere sind weitere Kriterien zu beachten, u.a. Impfstatus und Alter der Tiere.

Aufgrund der bestehenden epidemiologischen Lage und des erforderlichen Aufwandes, wird Deutschland bis auf Weiteres kein Tilgungsprogramm anstreben. 

Was ist die Ursache der Blauzungenkrankheit?

Ursache der Blauzungenkrankheit ist das Bluetongue-Virus (BTV) aus dem Genus Orbivirus der Familie Reoviridae. Die Virusspezies BTV teilt sich in eine Vielzahl verschiedener Varianten (Serotypen bzw. Genotypen). Für die eigentliche Blauzungenkrankheit sind hiervon die Serotypen 1-24 relevant.  Diese werden ausschließlich durch stechende Insekten (sogenannte „Gnitzen“) übertragen. Eine direkte Tier-zu-Tier-Übertragung findet nicht statt. Die Ausbreitung der Infektion ist durch die Vektorbeteiligung allerdings auch deutlich schwerer zu kontrollieren.

Darüber hinaus sind bisher mindestens 8 weitere Varianten bekannt (bezeichnet als „BTV 25“, „BTV 26“ usw.), die nicht die typische Form der Blauzungenkrankheit auslösen, sondern oft auch bei gesunden Tieren, v.a. Ziegen und Schafen, gefunden werden. Diese Varianten werden daher als „atypische“ BTV bezeichnet. Ein weiterer Unterschied zwischen den „klassischen“ und den "atypischen" BTV-Stämmen, besteht darin, dass "atypische" BT-Viren zwischen empfänglichen Tieren auch durch Kontakt untereinander übertragen werden können. „Atypische“ BTV-Stämme sind tierseuchenrechtlich nicht reglementiert.

Welche Tiere sind empfänglich für das Virus?

Empfänglich für BTV-Infektionen sind allgemein Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen, Hirsche, Rehe), aber auch Kameliden. "Atypische" BTV-Stämme verursachen – soweit bekannt – keine klinischen Symptome. Bei Infektionen mit den Serotypen 1-24 kann es zu Erkrankungen unterschiedlicher Schwere kommen. Typisch sind Fieber sowie Schwellungen und Rötungen im Bereich der Augen, der Nase, des Mauls, der Füße und/oder der Geschlechtsorgane. Teilweise sind Haut- oder Schleimhautablösungen zu beobachten. Für den Menschen sind alle BTV-Serotypen ungefährlich.

Wie kann man Tiere vor der Infektion schützen?

Die einzig zuverlässige Möglichkeit, Tiere vor klinischer Erkrankung und auch der Infektion als solcher zu schützen, sind Impfungen. Die Impfung muss allerdings angepasst an den zirkulierenden Serotyp erfolgen, da der Schutz serotypspezifisch ist. Eine Impfung mit einem BTV-8-Impfstoff bewirkt somit nur einen Schutz gegen Infektionen mit BTV-Serotyp 8 und nicht gleichzeitig einen Schutz gegen Infektionen mit BTV-Serotyp 3.

Für den BTV-Serotyp 3 wurden mehrere Impfstoffe entwickelt, deren Anwendung in Hessen inzwischen auch vom hessischen Landwirtschaftsministerium gestattet wurde. Solange diese allerdings noch keine offizielle, vollwertige Zulassung erhalten haben, sind solche Impfstoffe nicht für die Erleichterung von Tiertransporten in BTV-freie Gebiete zulässig. Allerdings können Sie einen wichtigen Beitrag leisten, um schwere Erkrankungen und Tierverluste zu vermeiden.

Da auch die BTV-Serotypen 8 und 4 weiterhin in Teilen Europas zirkulieren und ein Eintrag dieser Stämme unvorhergesehen erfolgen kann, sind auch Impfungen gegen diese zu erwägen. Hier existieren zugelassene Impfstoffe, welche über die üblichen Handelswege bezogen werden können.

Um den Infektionsstatus im Falle von zukünftigen Untersuchungen der Tiere eindeutig beurteilen zu können, müssen Impfungen gegen BTV der zuständigen Veterinärbehörde gemeldet werden (LinkÖffnet sich in einem neuen Fenster zu Allgemeinverfügung). Andernfalls droht im Falle von Labornachweisen BTV-spezifischer Antikörper die Wertung solcher Ergebnisse als BTV-Ausbruch.