Wildschwein im Wald zwischen Bäumen

Afrikanische Schweinepest und Biosicherheit

Seit dem 10.09.2020 breitet sich die Afrikanische Schweinepest (ASP) aus Osteuropa kommend in Deutschland aus. Betroffen sind insbesondere Wildschweinpopulationen entlang der Deutsch-Polnischen Grenze.

Über 4000 Fälle sind seither bekannt geworden. Im Juli 2021 folgten dann die ersten Ausbrüche bei Hausschweinen auf deutschem Gebiet. Betroffen waren zwei Kleinsthaltungen, ein Biobetrieb und später noch ein konventioneller Betrieb mit 4000 Mastschweinen. Die Schweine wurden alle getötet. Dieses Jahr sind bisher drei Schweinehaltungen betroffen gewesen.

Die Seuche ist für Menschen ungefährlich. Das sofortige Verbringungs- und Handelsverbot führt jedoch zu Tierschutzproblemen, sowie massiven wirtschaftlichen Schäden und zum Ruin vieler Betriebe. Allein für Deutschland wird ein ASP-bedingter Rückgang der Schweineproduktion um rund 20 Prozent geschätzt. Abnehmer wie Russland und China sind plötzlich weggebrochen, obwohl diese Länder schon seit Längerem ebenfalls von der ASP betroffen sind. Das erschwert insbesondere die Vermarktung der bei uns als weniger wertvoll eingestuften Teilstücke.

Ausbreitungswege: Schnell und wenig kontrollierbar

Die ASP nahm ihren Ursprung 2007 in Georgien und breitete sich langsam auf zwei Wegen nach Osteuropa und Asien aus. Wichtigster Vektor ist der Mensch, der infizierte Fleisch- und Wurstwaren in denen das Virus für viele Monate überleben kann, aus Unachtsamkeit in Kontakt zu Haus- und Wildschweinen bringen kann. Diese Ausbreitung ist schnell, denn sie erfolgt mit Hilfe von Last- und Personenverkehr, und ungerichtet, weil der Zufall entscheidet, wo infizierte Produkte in den Bereich von Schweinen gelangen. Am stärksten sind Wildschweine bedroht, weil sie nicht durch Maßnahmen der Biosicherheit abgeschottet werden können. Sie bilden dann den zweiten Ausbreitungsweg, der mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von rund 20 bis 30 Kilometer pro Jahr wesentlich langsamer und zielgerichteter von statten geht.

Übertragung: Blut oder Gewebe als optimales Trägermaterial

Die lange Dauer von 14 Jahren von Georgien bis nach Deutschland erklärt sich durch die geringe Übertragbarkeit des Virus von einem Schwein zum nächsten. Wind und Luft reichen nicht aus. Auch Insekten, Vögel oder andere Tiere spielen dabei in unseren Breiten keine Rolle. Schweine müssen Kontakt zu infiziertem Blut oder Gewebe haben zum Beispiel Fleisch- und Fleischverarbeitungsprodukte oder Kadaver. Infizierte Schweine können das Virus für 3 bis 10 Tage in sich tragen und ausscheiden, bevor sie daran verenden. Die Erkrankung verläuft meist tödlich, aber 5 Prozent der Wildschweine sind resistent und können das Virus bis zu 100 Tagen lang ausscheiden.

Krankheitsverlauf

Die Krankheit verläuft als schwere Sepsis mit hohem Fieber. Die Schweine sind erschöpft, stellen die Nahrungsaufnahme ein und zeigen massives Krankheitsverhalten und Leiden. Blutgefäße und Blutgerinnung werden zerstört, starke Blutungen über die Haut und alle Körperöffnungen sind die Folge. Auch blutiger Durchfall ist dabei und dieses Blut ist hochinfektiös. In blutigem Kot und in Kadavern bleibt das Virus monatelang auch im Boden infektiös, solange dieser alkalisch ist. Auf saurem Sandboden kann sich das Virus hingegen kaum halten und kontaminierte Futtermittel (Getreide, Stroh und andere) verlieren nach wenigen Tagen bis Wochen jede Infektiosität.

Ausbreitung: Langsam, beharrlich, tödlich

Die Ausbreitungsdynamik der ASP beruht auf vier Säulen. Die niedrige Übertragbarkeit (Kontagiosität) führt dazu, dass sich nur wenige Tiere im Umfeld eines Infizierten anstecken. Es ist nicht zu erwarten, dass alle Wildschweine einer Rotte oder in einer Region innerhalb kurzer Zeit sterben und die Seuche damit zur Ruhe kommt. Sondern es werden sich über viele Wochen und Monate immer wieder einzelne Tiere anstecken und die Seuche am Leben erhalten. Die zweite Säule, die hohe Widerstandskraft des Virus in der Umwelt (Tenazität) liefert dazu einen wichtigen Beitrag, insbesondere wegen der Kadaver. Wildschweine sind keine Kannibalen. Experimente des Friedrich-Loeffler-Instituts zeigten, dass die toten Tiere nicht aufgefressen werden. Dennoch kommt es zur Kontaktaufnahme und damit zur Infektion mit virushaltigem Blut, sobald dieses austritt. Eine dritte Säule ist die hohe Sterblichkeit (Letalität). Infizierte Tiere entwickeln hohe Virustiter und sterben letztlich an der körpereigenen Abwehrreaktion (Zytokinsturm). Dadurch stehen im Bereich des verendeten Tieres hohe Virusmengen zur Verfügung. Bei direktem Kontakt erleichtern sie die Infektion und Weitergabe der Seuche. Alle drei Säulen zusammen sind dafür verantwortlich, dass sich die Seuche lange in einem Gebiet halten kann, sie wird endemisch. Wildschweinpopulationen überlappen sich und es kommt dabei immer auch zu einer, wenn auch langsamen Ausbreitung in die Nachbargebiete. Diese Ausbreitung kann durch die vierte Säule verstärkt werden, wenn resistentere Wildschweine den Erreger weitertragen, ohne daran zu verenden.

Aktueller osteuropäischer Virus-Typ

Anzeichen wie fleckenförmige oder großflächige Blutungen der Haut und Schleimhäute lassen die ASP mit dem aktuellen osteuropäischen Virustyp bei hellhäutigen Schweinen gut erkennen.

Ausbrüche der ASP sind nicht ganz neu. Die ASP prägte die iberische Halbinsel über die 1960er bis 1990er Jahre hinweg. Der aktuelle osteuropäische Typ ist inzwischen vom Schwarzen Meer bis zum Baltikum flächendeckend verbreitet, mit Schwerpunkten in Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen und den baltischen Staaten. Auch Tschechien (2017 und 2018) und Belgien (2019) waren vorübergehend insbesondere von ASP beim Wildschwein betroffen, gelten jedoch inzwischen wieder als ASP-frei.

Maßnahmen nach Ausbruch

Betriebe in den betroffenen Gebieten wurden vorsorglich gekeult und die Wildschweinepest wurde durch strikte Umsetzung dreier Maßnahmen erfolgreich bekämpft. Es gilt die gefährdeten Gebiete nicht mehr aus den Augen zu lassen (Monitoring), um einen Neuausbruch so schnell wie möglich zu entdecken und die Hochrisikoperiode einer unerkannten Ausbreitung zeitlich zu minimieren. Im Ausbruchsfall wird das betroffene Gebiet großzügig abgeschirmt und für das Kerngebiet wird eine absolute Jagdruhe angeordnet. Dadurch soll vermieden werden, dass infizierte Tiere aus dem Gebiet entkommen und die Seuche weitertragen. Greifen diese Maßnahmen wie in Tschechien und Belgien schnell, kann man die Seuche eliminieren. Solche Maßnahmen sind allerdings in Deutschland aufgrund der sehr hohen Wildschweindichte schwieriger umsetzbar. Es ist schwer abzuschätzen, wann es gelingen wird, ASP beim Wildschwein zu stoppen. Erschwerend kommt der hohe Druck infizierter Tiere aus Osteuropa vor allem aus Polen hinzu. Die Landwirtschaft muss sich also auf eine längere Episode mit der ASP einstellen. Sowohl konventionelle als auch biologische Betriebe müssen Maßnahmen zum Schutz der Herden ergreifen. Durch Umsetzung der an die Eigenarten des aktuellen ASP-Virus angepassten Maßnahmen der Biosicherheit sollte das gelingen ohne dabei Produktionszweige zu opfern.

Präventionsmaßnahmen

Für viele Schweinehalter gehört Biosicherheit wie Kleidungswechsel, Reinigung und Desinfektion oder Trennung in Schwarz- und Weißbereich bereits zur Normalität. Trotzdem und gerade mit Blick auf die Afrikanische Schweinepest lohnt es sich diese genauer zu evaluieren.

In der Landwirtschaft geht es in erster Linie um das Verhindern von Ansteckung und Kontamination zwischen unterschiedlichen Populationen, genauer Beständen (externe Biosicherheit) oder verschiedener Teilpopulationen eines Bestandes untereinander (interne Biosicherheit). Das funktioniert je nach Art des Auslösers unterschiedlich und die Möglichkeiten sind vielfältig und müssen an den Betrieb angepasst sein.

Um jederzeit ein Mindestmaß an Seuchenschutz gewähren zu können, gibt es einen gesetzlichen Rahmen, der nicht unterschritten werden darf. Dieser ist in der Schweinehaltungs-Hygieneverordnung zu finden. Geschaffen wurde diese Verordnung zur Gefahrenabwehr der Klassischen oder Europäischen Schweinepest. Sie richtet sich an Schweinehaltungen zu Zucht- oder Mastzwecken. Gestaffelt nach Bestandsgröße beinhaltet sie Bestimmungen zur Betriebshygiene, konsequenter Trennung von Wild- und Hausschweinen oder Begrenzung des Personenzutritts. Zusätzlich regelt die Durchführungsverordnung (EU) 2021/605 nun EU-weit die Bestimmungen zur Afrikanischen Schweinepest.

Vor einer Flagge der europäischen Union steht eine kleine Statue Justitia. Ein Gerichtshammer auf einem Holzblock liegt vor der Flagge.

Die Gesamtheit der externen Biosicherheitsmaßnahmen bildet eine Art Brandmauer gegen das Eindringen fremder Keime. Doch dieser Schutzwall ist nur so gut wie seine schwächste Stelle. Jede Lücke birgt das Risiko einer Einschleppung von außen nach innen.

Ein Maximum an Biosicherheit kann mit Quarantänezeiten für externe Personen vor Betretung, die Pflicht zum Einduschen, Desinfektionsschleusen für Geräte und Materialien, Reduzierung des Personen- und Fahrzeugverkehrs auf das unbedingt erforderliche Maß, sowie Verhinderung von sich kreuzenden Wegen des Schwarz- und Weißbereichs erreicht werden.

Es bestehen gute Chancen, im normalen Arbeitsalltag das Virus der ASP vom eigenen Betrieb fern zu halten. Bei Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen ist ein Eintrag unwahrscheinlich. Die Untersuchungen zu den Eintragsquellen bisheriger Ausbrüche in Tierhaltungen lassen stets Lücken in der Biosicherheit als Ursache vermuten.

Schwarz – Weiß - Denken

Die üblichen Hygieneregeln wie Schuh- und Kleidungswechsel, sowie Händewaschen und Desinfizieren vor Betreten des Tierbereichs reichen aus. Komplizierter wird es bei Wegen des Hofs, die sowohl von Landmaschinen beziehungsweise Fahrzeugen außerhalb eines eingefriedeten Stallbereichs, als auch von Personen mit Tierkontakt genutzt werden. Die konsequente Trennung in Schwarz- und Weißbereich, zum Beispiel über gesondertes Schuhwerk und Geräte für den Innen- und Außenbereich kann hier Abhilfe schaffen. Ein weiteres Problem sind Materialien, die unbehandelt vom Feld in den Tierbereich gelangen. Aufgrund der Tenazität (Widerstandsfähigkeit), ist das ASP Virus gegenüber Umwelteinflüssen erstaunlich resistent. Erst ab Temperaturen von über 70 Grad Celsius findet eine Inaktivierung statt. In Einstreu- oder Beschäftigungsmaterialien wie zum Beispiel Stroh oder Heu kann es als Bestandteil von Wildschweinkot noch über Tage infektiös bleiben. Aus diesem Grund ist für solche Materialien aus gefährdeten Gebieten (dies umfasst einen Radius von ca. 15 Kilometern um den Fundort eines infizierten Wildschweines) entweder eine Behandlung mit Hitze bei 70 Grad Celsius über 30 Minuten oder eine wildschweinsichere Lagerung von mindestens sechs Monaten vor der Verwendung vorgeschrieben.

Früherkennung wichtig

Wie erwähnt erkranken nur einzelne Tiere nach und nach und werden auffällig. Die ASP kann also unter Umständen schon länger in der Herde kursieren, bevor sie erkannt wird. Deshalb ist eine hohe Sensibilität von Landwirt und Tierarzt nötig. Vor diesem Hintergrund ist auch das ASP-Statusverfahren gezielt auf die verendeten Tiere ausgerichtet. In Hessen wie auch in anderen Bundesländern gibt es ein Tierseuchenfrühwarnsystem bei Unklarheiten im Bestand. Es sieht vor, dass Blutproben (bevorzugt EDTA oder Heparin) für eine Ausschlussdiagnostik an das zuständige Landeslabor gesendet werden können. Es entstehen weder Laborkosten, noch wird der Betrieb als verdächtig gemeldet. Diese Erleichterungen sollen die Scheu vor Diagnostik nehmen und eine Früherkennung gewährleisten.

Für Jagdausübende gibt es eine Reihe zusätzlicher Biosicherheitsvorschriften und Früherkennungsprogramme, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll.

Schweinepest in Hessen: Szenarien

Was genau im Falle des Auftretens der Afrikanischen Schweinepest in Hessen passieren wird, ist leider trotz gesetzlicher Vorgaben nicht vollständig abschätzbar.

Generell beinhalten sie in Bezug auf die Biosicherheit als Voraussetzungen die vertrauten Vorgaben der Trennung zwischen Haus- und Wildschweinen, Kleidungs- und Schuhwechsel, Reinigung und Desinfektion. Neu sind unter anderem eine Quarantänezeit von 48 Stunden nach Jagdtätigkeiten im Zusammenhang mit Wildschweinen vor Kontakt mit Hausschweinen sowie ein von der zuständigen Behörde genehmigter „Plan zum Schutz vor biologischen Gefahren“. Unklar ist noch der Umgang mit Auslauf- und Freilandhaltungen, da „die Räumlichkeiten und Gebäude des Betriebs […] so gebaut sein (müssen), dass keine anderen Tiere in die Räumlichkeiten und Gebäude gelangen oder mit den gehaltenen Schweinen oder deren Futter und Einstreu in Kontakt kommen können“. Ein genereller Ausschluss aller anderen Tiere gestaltet sich nicht nur in diesen Haltungsformen schwierig und sollte hinterfragt werden, da im aktuellen Ausbruchsgeschehen keine Fälle von Eintrag des ASP-Virus durch Vögel oder Insekten dokumentiert wurden. Um das erreichte Maß an Tierwohl nicht gänzlich zurückzufahren, wäre es wünschenswert die Gesetzesvorgaben an die Gegebenheiten der ASP anzupassen und akzeptierte Möglichkeiten der Abschirmung zu definieren.

Bei der Bewertung der Biosicherheit im Hinblick auf die geforderten Vorgaben durch die Durchführungsverordnung gibt es viel Spielraum, der zwischen Betrieb und Behörde ausgestaltet werden muss. Betriebe, die am ASP-Statusverfahren teilnehmen, haben den Vorteil, diese Bewertung schon jetzt durchlaufen zu können.

Frühzeitig vorbereiten

Aber auch ohne eine Teilnahme ist es angeraten, sich frühzeitig diesem Thema zu widmen. Hinterfragen Sie kritisch die eigenen Abläufe. Wo sind mögliche Lücken in der Biosicherheit? Wie lassen sich diese schließen? Was ändert sich, wenn der Betrieb in einer Restriktionszone liegt? Wie bewertet die zuständige Behörde die eigene Biosicherheit? Können alle Vorgaben erfüllt werden? Das sorgfältige und verantwortungsbewusste Handeln eines jeden Einzelnen wird am Ende über den Erfolg oder Misserfolg der Bekämpfungsstrategien der ASP entscheiden.