Unter Biosicherheit versteht man den systematischen Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt vor Gefahren, die mit dem Umgang mit biologischen Agenzien verbunden sind. Sie ist ein zentraler Bestandteil der Tierseuchenprophylaxe und umfasst in Bezug auf eine Tierhaltung üblicherweise alle Maßnahmen, die eine Einschleppung von Krankheitserregern in den Bestand beziehungsweise aus ihm heraus oder eine Verbreitung innerhalb des Bestandes verhindern respektive minimieren sollen. Beim Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) spielt die Biosicherheit eine Schlüsselrolle. Wie gut ein Betrieb gewappnet ist, lässt sich unter anderem mit der „Risikoampel“ der Universität Vechta messen und vergleichen. Seit 2019 können landwirtschaftliche Betriebe oder andere Interessierte mithilfe eines Online-Fragebogens die Biosicherheit des eigenen Betriebes beziehungsweise eines beliebigen Betriebes in Bezug auf die ASP auf den Prüfstand stellen. Diese Möglichkeit bestand bisher für alle schweinehaltenden Betriebe allgemein, ohne auf die spezifischen Besonderheiten von Offenställen einzugehen. Unter hessischer Mitwirkung wurde eine Risikoampel speziell für Offenställe geschaffen und kann seit Anfang 2024 genutzt werden.
Die Afrikanische Schweinepest
Die Afrikanische Schweinepest ist eine Tierseuche, die durch das Afrikanische Schweinepest-Virus (ASP-Virus) übertragen wird. Sie wird auf EU-Ebene in die höchste Kategorie (Kategorie A) eingestuft und muss unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten mit dem klar definierten Ziel der Eradikation (Auslöschung) bekämpft werden. Empfänglich sind Haus- und Wildschweine. Für sie verläuft eine Infektion nahezu immer tödlich. Aber auch Warzenschweine oder Buschschweine, die in Afrika beheimatet sind, können sich infizieren und sind für diese Tierseuche namensgebend. Im Gegensatz zu unseren heimischen Arten verläuft eine Infektion für sie jedoch meist symptomlos, was sie als Überträger prädestiniert. Menschen können sich nicht infizieren.
Mit den charakteristischen Eigenschaften dieses Virus sind spezifische Übertragungswege verbunden. Blut stellt ein besonders hohes Übertragungsrisiko dar. Beispielsweise Lederzecken, die in tropischen und subtropischen Regionen vorkommen und die Blut von infizierten Schweinen aufgenommen haben, können das Virus über Jahre weitergeben. Aber auch Fleisch und Wurstprodukte von infizierten Tieren oder deren Kadaver behalten aufgrund des enthaltenen Blutes Monate bis Jahre ihre Ansteckungsfähigkeit. Diese Gefahr spielt in unseren Breitengraden eine wichtige Rolle. Grundsätzlich können jedoch alle Körperausscheidungen infektiös sein, weshalb eine Ansteckung durch direkten oder indirekten Kontakt häufig ist. Andere Wege wie zum Beispiel die aerogene Übertragung (über die Luft) spielen hingegen eine untergeordnete Rolle.
Da das Virus in Wildschweinepopulationen in Teilen Europas und Deutschlands inzwischen regelmäßig nachgewiesen werden kann, sollte der konsequenten Abschirmung von Hausschweinen zu Wildschweinen weiterhin große Beachtung geschenkt werden. Dies erklärt die besondere Rolle von Offenställen. Je nach Bauart bieten sie mehr Kontaktmöglichkeiten mit der Umwelt und im Zweifelsfall auch mit potenziell erregerhaltigem Material als Stallhaltungen. Diese „Lücken“ müssen durch bestimmte Biosicherheitsmaßnahmen abgesichert werden. Die Belange der Tierseuchenprophylaxe müssen demnach mit Aspekten des Tierwohls in Einklang gebracht werden.
Entwicklung der Risikoampel
Für die ASP-Risikoampel wurde dieses Wissen genutzt, um Risikofaktoren zu identifizieren und einzuordnen. Unter der Federführung von Dr. Maria Gellermann und Dr. Barbara Grabkowsky (Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar)) entstand bereits 2019 die erste Version der ASP-Risikoampel. Im Jahr 2020 folgte eine eigens auf Schweizer Haltungssysteme abgestimmte Ausführung und 2024 wurde eine Version für Offenställe etabliert. Dabei flossen auch Elemente der nationalen Gesetzgebung wie Anforderungen der Schweinehaltungshygiene-Verordnung und der Schweinepestverordnung sowie Anforderungen auf EU-Ebene aus der Durchführungsverordnung (EU) 2023/594 aus Anhang III (Verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren in schweinehaltenden Betrieben in Sperrzonen I, II und III) ein. Anfang 2024 wurden außerdem "Leitlinien für die Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen auch unter ASP-Bedingungen" auf der Homepage des Friedrich-Loeffler-Instituts veröffentlicht, welche ebenso bei der Erarbeitung beachtet wurden. Ziel ist es, den Betrieben eine Hilfestellung zu geben, mit der sie Schwachstellen identifizieren und Risiken senken können. Sollte es zum Tierseuchenfall (ASP) kommen, wird die Biosicherheit ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidungsfindung sein, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Schweinehaltung weiter betrieben werden kann. Diese Entscheidung obliegt der zuständigen Behörde. Außerdem hängt die Höhe der Entschädigungen durch die Tierseuchenkasse davon ab.