Bildausschnitt eines Euters, der an einer Melkanlage hängt

Der Eutergesundheitsdienst in Hessen

Der Eutergesundheitsdienst (EGD) in Hessen ist seit über 35 Jahren fest etabliert und spielt seit jeher eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Eutergesundheit hessischer Milchkühe, Schafe, Ziegen und Stuten.

Staphylococcus aureus aus einer Tankmilchprobe auf Rinderblut-Äskulin-Agar
Abb. 1: Staphylococcus aureus aus einer Tankmilchprobe auf Rinderblut-Äskulin-Agar

Eutergesundheitsdienst heute

Der heutige Eutergesundheitsdienst in Hessen besteht aus dem Mastitislabor (Mastitis: Euterentzündung) am LHL (Diagnostik und Beratung) und wird ganz wesentlich von den Außendienst- und Beratungstätigkeiten der Milchhygienetierärzte des Regierungspräsidiums Gießen (Dezernat 51.2) sowie den Sachbearbeitern der Leistungsprüfung Milch des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) unterstützt. Dieses enge Netzwerk ist entscheidend für den Erfolg des Eutergesundheitsdienstes und die Verbesserung der Milchqualität in Hessen. 

Probenarten

Es werden ganz unterschiedliche Probenarten im spezialisierten Mastitislabor untersucht. Neben Viertel- und Hälftengemelksproben sind dies Tankmilch- und Milchtupferproben (z.B. Tupfer von Vormelkbechern, Melkzeug oder aus dem automatischen Melksystem) und in seltenen Fällen auch Eutertücher oder Einstreuproben, um die Ursache der Euterinfektion einzugrenzen und zu beheben. Daneben werden auch Milchroben aus Milch-ab-Hof-Abgabe-Betrieben qualitativ und teils quantitativ auf diverse Erreger untersucht, um Lebensmittelinfektionen zu verhindern (z.B. Untersuchung auf Salmonellen oder Listeria monocytogenes).

Milchprobenröhrchen nach Registrierung im Labor und kulturelles Wachstum von Mastitiserregern nach Inkubation im Brutschrank
Abb. 2 (links): Milchprobenröhrchen nach Registrierung im Labor und Abb. 2 (rechts): kulturelles Wachstum von Mastitiserregern nach Inkubation im Brutschrank
Nachweis von Listeria monocytogenes aus Tankmilchprobe (Aloa-Spezialagar)
Abb. 3: Nachweis von Listeria monocytogenes aus Tankmilchprobe (Aloa-Spezialagar)
Bestimmung des Gehalts körpereigener Zellen aus Milchproben mittels Fossomatic
Abb. 4: Bestimmung des Gehalts körpereigener Zellen aus Milchproben mittels Fossomatic

Die Untersuchungen werden generell nach nationalen (Leitlinien zur Untersuchung von Viertel- und Hälftengemelksproben der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, DVG) und internationalen Standards (z. B. IDF, International Dairy Federation oder Clinical and Laboratory Standards Institute oder (CLSI)-Richtlinien zur Durchführung und Auswertung von Antibiogrammen) durchgeführt. Dabei erfolgt zunächst das Ausstreichen der Milchproben auf Spezialnährmedien, anschließend wird die Bestimmung des körpereigenen Zellgehalts aus den Milchproben mittels Durchflusszytometer Fossomatic durchgeführt (Abb. 6). Die mit Milch beimpften Nährmedien kommen anschließend in den Brutschrank, um das Wachstum der Mastitiserreger nach 24 und 48 h zu erfassen. Zur Erregeridentifikation wird eine massenspektrometrische Analyse mittels MALDI-TOF MS eingesetzt. Damit ist es möglich, die Bakterien binnen kurzer Zeit bis auf Speziesebene zu identifizieren. Eine genaue Erregeridentifikation ist wichtig für die jeweilige Sanierungsstrategie nach Leitkeimdiagnostik sowie als Basis einer gezielten Behandlung.

Antibiogramme

Nach den Leitlinien der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV) hat die Bestimmung eines Erregers und die Erstellung eines Antibiogramms  grundlegend vor Beginn einer Therapie mit bestimmten antimikrobiellen Substanzen zu erfolgen, um die zu dem jeweiligen Bakterium zugrundeliegenden MHK-Grenzwerte (Einteilung in die Resistenzklassen empfindlich, intermediär und resistent) eindeutig zuordnen zu können. Denn der gezielte Einsatz von Antibiotika besonders bei lebensmittelliefernden Tieren ist wichtiger denn je und hilft, Resistenzen zu vermeiden. Auch beim sogenannten selektiven Trockenstellen kann das Mastitislabor den Tierhaltern und den Tierärzten mit der Diagnostik unterstützen und ein wichtiger Ratgeber bei der richtigen Strategie sein.  Die Antibiogramme werden in unserem Labor mit dem sogenannten Mikrobouillondilutionsverfahren nach CLSI-Richtlinien durchgeführt. 

Mikrobouillondilutionstest mit Wachstum von Bakterien zur Antibiotikaempfindlichkeits-prüfung
Abb. 5: Mikrobouillondilutionstest mit Wachstum von Bakterien zur Antibiotikaempfindlichkeitsprüfung

In Abbildung 5 sieht man eine Mikrotiterplatte, in deren Vertiefungen verschiedene Antibiotika enthalten sind. Nun wird eine Reinkultur des Mastitis-Erregers dazu gegeben. Nach einer Inkubationsphase bleibt die Flüssigkeit entweder klar, wenn kein bakterielles Wachstum stattfindet (Erreger ist empfindlich), oder man erkennt das Wachstum des zu testenden Bakteriums anhand einer Trübung oder Knopfbildung (Erreger kann je nach Grenzwert resistent sein). Die Auswertung der Mikrotiterplatte erfolgt mit Hilfe eines Photometers.

Leergut

Für die Beprobung stellen wir kostenfrei Leergut (Probenröhrchen mit Konservierungs-Medium) zur Verfügung und bereiten es nach Voranmeldung gerne für Sie vor. Sollte die blaue Flüssigkeit in den Röhrchen eingetrocknet sein, fordern Sie bitte neue Probenröhrchen bei uns an.

Abb. 8: Probenröhrchen mit Konservierungs-Medium zur Mastitisdiagnostik
Abb. 6: Probenröhrchen mit Konservierungs-Medium zur Mastitisdiagnostik

Kosten

Die Untersuchungskosten werden pro Tier berechnet und setzen sich aus der kulturell-bakteriologischen Untersuchung, der Bestimmung des somatischen Zellgehalts sowie gegebenenfalls der Anfertigung eines oder mehrerer Antibiogramme zusammen.

Mastitisdiagnostik inklusive Antibiogramm 15,50€
Erweiterte Tankmilchuntersuchung 32,50€
Milchtupferuntersuchung (z B. vom Melkzeug) 19,50€
Rohmilchuntersuchung 81,50€

Wurde von hessischen Milchviehhaltern beim Vorliegen eines Eutergesundheitsproblems ein Antrag zur Inanspruchnahme des Eutergesundheitsdienstes durch den Hof- oder Milchhygienetierarzt bei der Hessischen Tierseuchenkasse (HTSK) gestellt, dann werden nach Bewilligung durch die HTSK sogar vier Fünftel der Untersuchungskosten übernommen. Ein bewilligter EGD-Antrag ist für jeweils ein Kalenderjahr gültig.

Sollte ein Betrieb vermehrt Probleme mit subklinischen Euterentzündungen haben, so besteht die Möglichkeit, in speziellen Probenröhrchen mit Schraubdeckel die Milch zunächst einzufrieren und zu sammeln. Wenn dann von einigen Tieren Milchproben vorliegen, können diese in einer Einsendung verschickt werden und die Untersuchung beginnt.

Der Milchbefund

Bei der Auswertung des Milchbefunds muss man zunächst darauf achten, welche Leitkeime nachgewiesen wurden. Sind es eher euterassoziierte Mastitiserreger oder sogenannte Umweltkeime (s. Abb. 7). Gerne stehen wir für eine telefonische Beratung des Milchbefunds der in unserem Labor untersuchten Proben zur Verfügung.

Bei der Coli-Mastitis, verursacht durch das Bakterium Escherichia coli, können Toxine im Spiel sein und es muss, ebenso wie beim Erreger der Holsteinischen Euterseuche (Trueperella pyogenes) besonders schnell gehandelt werden, um das Euterviertel oder gar das gesamte Tier retten zu können. In diesen Fällen erstellen wir auch Vorabbefunde, um schnellstmöglich die Information weiter geben zu können.

Handlungsablauf nach Mastitisdiagnostik
Abb. 7: Handlungsablauf nach Mastitisdiagnostik
Abb. 9: Escherichia coli auf Gassner-Agar
Abb. 8: Escherichia coli auf Gassner-Agar

Nachweisbarkeit verschiedener Mastitiserreger in Hessen

Das Kreisdiagramm in Abb. 9 zeigt, dass die euterassoziierten Mastitiserreger in Hessen bei der Anzahl aller untersuchten Viertelgemelksproben im Jahr 2022 erfreulicher Weise weit unter 5% lagen und dies trifft bis heute zu. In über 40% der Proben konnten sogar gar keine Nachweise von Bakterien beobachtet werden. Am häufigsten und somit in jeder fünften Probe wurden Koagulase-negative Staphylokokken nachgewiesen. Besonders diese Nachweise sind in Korrelation mit der ermittelten Zellzahl zu interpretieren und können auch ein Hinweis auf eine ungenügende Probenqualität sein. Die am zweithäufigsten nachgewiesene Gruppe der Corynebakterien wird bei gut gereinigten, zuvor desinfizierten und besonders gut vorgemolkenen Eutervierteln in den daraus gewonnenen Viertelgemelksproben deutlich seltener nachgewiesen.

Verteilung der Mastitiserreger in Hessen im Jahr 2022
Abb. 9: Verteilung der Mastitiserreger in Hessen im Jahr 2022 (Angaben in Prozent)

Sonderformen von Mastitiden

Die Diagnostik ist auch wichtig für die weitere Entscheidung des Einzeltieres: kann die Kuh behandelt werden und wenn ja, mit welchem Präparat? Nicht immer ist dies möglich wie z. B. beim Nachweis von speziellen Algen aus Milchproben, die zur Gruppe der Prototheken zählen. Haben diese im Eutergewebe erst einmal zu einer Infektion geführt, so ist eine Behandlung leider nicht mehr möglich.

Prototheken auf Rinderblut-Äskulin-Agar
Abb. 10: Prototheken auf Rinderblut-Äskulin-Agar

Auch seltenere und nicht über die Routinediagnostik erfassbare bakterielle Erreger aus Milchproben können in unserem Labor nachgewiesen werden (z. B. Mykoplasmen oder Mykobakterien). Hier ist neben der kulturellen Anzucht auch eine Untersuchung mittels molekularbiologischer Verfahren (PCR) möglich. Des Weiteren erfolgt bei Milchproben aus zellzahlhohen Eutervierteln routinemäßig eine gezielte Untersuchung auf Hefen.

Spezialkultur von Mycobacterium smegmatis, isoliert aus einer Viertelgemelksprobe eines Rindes
Abb. 11: Spezialkultur von Mycobacterium smegmatis, isoliert aus einer Viertelgemelksprobe eines Rindes

Zusammenfassung

Der Eutergesundheitsdienst in Hessen hat eine langjährige Tradition und die Kombination aus Diagnostik und Vor-Ort-Beratung hat sich positiv auf die Eutergesundheit in vielen hessischen Betrieben ausgewirkt. Für die Untersuchung werden modernste Techniken eingesetzt, um schnell, zuverlässig und detailliert die erforderlichen Informationen beim Vorliegen von Euterentzündungen in dem jeweiligen Milchviehbestand zu liefern. Die Vielfalt an unterschiedlichen Mastitiserregern hat erheblichen Einfluss auf eine erfolgreiche Behandlungsstrategie im Bestand. Deshalb wird eine solide Mastitis-Diagnostik wie am LHL etabliert benötigt, denn Schnelltests decken diese Nachweise meist nur unbefriedigend ab. 

Dasselbe gilt auch zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Mastitistherapie: Die Durchführung eines normierten Antibiogramms im spezialisierten Labor ist essentiell und kann nicht durch einen Schnelltest vor Ort ersetzt werden.

Standortpin auf einer Landkarte

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