Viele Faktoren müssen dabei berücksichtigt werden, einige kann der Landwirt bewerten und in seine Entscheidungen (Saatgut- und Sortenwahl) und Maßnahmen (Düngung, Pflanzenschutz) einfließen lassen. Andere fordern den Landwirt heraus und können nicht beeinflusst werden, dazu zählt an erster Stelle das Klima, das durch Temperatur und Niederschlag maßgeblich auf die Entwicklung der Feldbestände einwirkt. Ein kurzer Blick zurück auf die letzten fünf Jahre verdeutlicht, wie wahrscheinlich Extremwetterlagen geworden sind: außergewöhnliche sommerliche Trockenheit von 2018-2020 und auch in diesem Jahr und 2021 das extreme Gegenteil mit außergewöhnlichen aber vereinzelten Starkregenereignissen. Unter diesen Voraussetzungen ist die richtige Sortenwahl eine echte Herausforderung, umso wichtiger ist dann das die Saatgutqualität stimmt.
Aus dem Labor
Saatgutuntersuchungen in Hessen
Saatguntersuchungen mit System
Die Saatgutuntersuchung hat in Hessen eine lange Geschichte, 1876 wurde die erste hessische „Samenkontrollstelle“ in Heydau/Altmorschen gegründet, die 1880 nach Marburg umgezogen wurde und sich seit 1910 in Kassel-Harleshausen befindet. Für das im Handel befindliche Saatgut hat der Gesetzgeber in der nationalen Saatgutverordnung und der EU-Gesetzgebung qualitative Mindestanforderungen definiert. Die Aufgabe des Saatgutlabors besteht darin die wesentlichen Qualitätsparameter des Saatgutes zu bestimmen und zu prüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind. In Abbildung 2 ist das Untersuchungsspektrum des Saatgutlabors dargestellt; die Untersuchung von Getreide nimmt dabei den größten Anteil ein.
Saatgutuntersuchung für Getreide
Bei diesen Getreideproben handelt es sich um Proben der Saatgutanerkennung, der Saatgutverkehrskontrolle und auch der Probeneinsendung von hessischen Landwirten im Zuge der betriebsinternen Qualitätsbestimmung (Abbildung 3). Mit knapp 67 Prozent Probenanteil haben die amtlichen Untersuchungen im Rahmen der Saatgutanerkennung und der Saatgutverkehrskontrolle den Hauptanteil; damit wird gewährleistet, dass das im Handel befindliche Saatgut einer intensiven Qualitätskontrolle unterliegt und der Verbraucherschutz gewährleistet ist. Und das aus gutem Grund, denn die Saatgutqualität stellt eine wichtige und fundamentale Basis für die spätere Bestandsentwicklung und damit die Ertragssicherheit dar. Neben der Möglichkeit des Erwerbs von Saatgut im Handel besteht aber auch die Möglichkeit betriebseigen erzeugtes Erntegut als Saatgut im Nachbau einzusetzen. Auch für diese betriebseigenen Proben ist eine unabhängige Qualitätsbestimmung mit standardisierten Untersuchungsmethoden empfehlenswert. So erreichen nach der Getreideernte viele Proben das Saatgutlabor in Kassel und werden untersucht.
Die hessische Landwirtschaft interessiert bei ihren Einsendungen vor allem die Keimfähigkeit (Abbildung 4) und das Tausendkorngewicht des Saatgutes. Aber auch die Samengesundheit findet in den letzten Jahren zunehmend Beachtung. In konventionell arbeitenden Betrieben sind die sich stetig ändernden Zulassungen und Möglichkeiten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu prüfen; Saatgutbeizung ist immer noch die effizienteste Möglichkeit den sich entwickelnden Pflanzen einen guten Start und gute Entwicklungsmöglichkeiten bei der Aussaat mitzugeben. Dafür ist Wissen über die Saatgutgesundheit ein wichtiges Entscheidungskriterium. Ökologisch wirtschaftende Agrarbetriebe, die auf den großflächigen Einsatz von Pflanzenschutz am Saatgut verzichten und deswegen zum Schutz des Bodens bei der Aussaat auf das Einbringen von samenbürtigen Pflanzenpathogenen besondere Beachtung geben, gibt das Wissen über die Saatgutgesundheit entscheidende Informationen über den Anbauwert des Saatgutes.
Laborstandards sorgen für Klarheit
Der Landwirt hat seinen Feldbestand über mehrere Monate im Jahr mit kritischen Blick auf dessen Entwicklung begleitet und kann bereits bei der Ernte sein Saatgut sehr gut einschätzen, schließlich liegen viele Informationen aus der Bestandsentwicklung vor. Für genaue Aussagen sind dennoch Laboruntersuchungen mit standardisierten Methoden erforderlich. Die Bestimmung der Saatgutgesundheit ist dabei kein zentraler Untersuchungsschwerpunkt des Kasseler Saatgutlabors. In Abstimmung mit dem Pflanzenschutzdienst des Regierungspräsidiums Gießen in Wetzlar wird jedoch die Steinbrandbestimmung im Saatgutlabor angeboten.
Getreide: Gefahr durch Infektion mit Steinbrand-Erreger
Steinbrand infiziert vor allem bei Weizen, wird aber zunehmend auch bei anderen Getreidearten nachgewiesen und ist zum einen im Hinblick auf die Infektion und Schadwirkung an der Kultur direkt kritisch aber auch für den Sporeneintrag in den Boden und die nachfolgenden Kulturen und Fruchtfolgen zu bedenken. Die Abbildung 5 gibt einen Überblick über die erfolgten Brandsporenanalysen der letzten drei Jahre:
Dass die Analyse berechtigt erfolgt, verdeutlichen die nachfolgenden Auswertungen der Analysedaten. Zwar kann im Feldbestand vor der Ernte geprüft werden, ob Infektionen und damit Brandbutten im Bestand sind. Dies kann aber nur ein letztes Indiz sein wirklich eine Analyse durchführen zu lassen. Häufig ist bei diesen deutlichen Infektionen im Feldbestand die Sporenbelastung des Erntegutes so hoch, das die Verwertung als Saatgut kaum noch zu empfehlen ist und es bereits darum geht, ob noch eine Verwertung als Futtergetreide möglich ist. Auch der häufig angewandte Geruchstest (sogenannter Stinkbrand erkennbar durch unangenehmen fischartigen Geruch) am Erntegut zeigt sich meist erst bei Sporenbelastungen von mehr als 10.000 Brandsporen pro Korn.
Die Abbildung 6 zeigt die Verteilung der Analysenergebnisse auf 7 Belastungsklassen. Es zeigt sich deutlich, dass ein großer Anteil der Proben unbelastet ist. Ein weiterer großer Anteil (Sporenbelastung bis 20 Sporen/Samen) liegt im unteren Belastungsniveau, bei dem sowohl konventionell als auch ökologisch arbeitende Betriebe gute Handlungsmöglichkeiten haben, dass Saatgut mit geeigneten Methoden zu behandeln und damit sowohl Bodenschutz zu betreiben als auch die nächste Ernte zu sichern. Die Verteilungsmuster der letzten Jahre sind einander sehr ähnlich. Das zeigt, dass gesundes Saatgut vorhanden ist. Die Daten zeigen aber auch, dass in jedem Jahr bis zu 30 Prozent der Proben Sporenbelastungen von mehr als 20 Sporen/Samen aufweisen. Dies kann nur im Labor bestimmt werden. Deswegen ist der Landwirt mit einer Analyse auf der sicheren Seite.