Ein Kaninchen schaut in die Kamera

Erneut Fälle von „Hasenpest“ in Hessen

Obwohl Tularämie („Hasenpest“) primär eine tödlich verlaufende Erkrankung bestimmter kleiner Säugetiere wie Kaninchen, Hase, Fuchs und Dachs ist, können sich auch Menschen mit diesem Erreger anstecken und schwer erkranken. Es handelt sich deshalb um eine sogenannte Zoonose. Auch andere Wild-, Haus- und Nutztiere können sich infizieren.

Krankheitsgeschehen

Im Winter 2019/2020 gibt es eine Infektionswelle im westlich gelegenen Endemiegebiet (Landkreis Limburg-Weilburg). Nach drei positiven Befunden bei gefallenen Feldhasen in Langendernbach bzw. Rennerod traten in der Folge bis Januar 2020 zwei weitere Fälle in dieser Region auf (vgl. Abb. 1).

Die Infektionen von Hase, Fuchs und Dachs zeigen, dass ein gewisses Infektionsrisiko vor allem für Jäger besteht. In den genannten, besonders betroffenen Gebieten sollten Spaziergänger beim Auffinden toter Wildtiere diese keinesfalls berühren sondern möglichst umgehend die zuständigen Stellen (Jagdpächter, Veterinärämter) informieren.

Eine Übersicht der Tularämiefälle in Hessen

Abb. 1: Tularämiefälle bei Tieren in Hessen 2010 - 2019. Feldhasen: rot, Kaninchen: grün. Insgesamt 38 Feldhasen und drei Kaninchen.

 

Krankheitsverlauf bei Tieren

Die Krankheit verläuft in der Regel akut und führt innerhalb weniger Tage, manchmal sogar Stunden zum Tod der betroffenen Tiere. Diese zeigen auf Grund der fieberhaften Allgemeininfektion zunächst Schwäche und eher unspezifische Symptome. Ein mangelndes oder sogar fehlendes Fluchtverhalten, schwankender Gang, gesträubtes Fell und schnelle Atmung sind verdächtig. Der Jagdpächter oder das zuständige Veterinäramt sollte informiert werden, da der Tierkörper im Falle einer Tularämieinfektion auch ohne sichtbare äußere Veränderungen in der Regel massiv mit Erregern kontaminiert sein kann

Wie können Menschen sich vor einer Infektion schützen?

  • Aufgefundene tote Tiere sollten von autorisierten Personen (Jagdpächter, Förster, Veterinärbehörden) einer Untersuchung im Landesbetrieb Hessisches Landeslabor zugeführt werden. Die Tiere sollten dabei auf keinen Fall mit bloßen Händen berührt werden.
  • Die Erkrankung ist in Deutschland nach dem Infektionsschutzgesetz und dem Tiergesundheitsgesetz meldepflichtig. Daher dienen diese notwendigen Untersuchungen auch dem Zweck, einen aktuellen Überblick über das Krankheitsgeschehen in einem Gebiet oder einer Region zu erhalten.
  • Haut-und Schleimhautkontakte mit kontaminierten Tiermaterialien (zum Beispiel beim Schlachten oder Enthäuten infizierter Tiere) ist zu vermeiden, ebenso der Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Fleisch. Auch kontaminiertes Wasser oder die Inhalation des Erregers über kontaminierte Stäube und Aerosole (Erde, Stroh oder Heu) kann im Einzelfall zu Erkrankungen des Menschen führen. Damit ist insbesondere die Landbevölkerung einem gewissen Infektionsrisiko ausgesetzt.
  • Hohe Temperaturen und übliche Desinfektionsmittel zerstören die Bakterien zuverlässig. Gegen Kälte sind die Erreger allerdings weitgehend resistent. So lässt sich Francisella tularensis auch noch nach mehreren Jahren in gefrorenem Hasenfleisch nachweisen.

Krankheitssymptome beim Menschen

Wenn sich Menschen mit dem Erreger infiziert haben, treten in der Regel nach 2-14 Tagen neben unspezifischen Symptomen wie einem allgemeinen Krankheitsgefühl unterschiedlich schwere Verlaufsformen wie Fieber und Gliederschmerzen sowie gegebenenfalls eine Lungenentzündung auf. Die Schwere der Symptome ist weitgehend von der Virulenz des Erregers, der aufgenommenen Erregermenge, der Eintrittspforte der Infektion sowie der Immunitätslage der/des Betroffenen abhängig.

Gelangt der Erreger über verletzte Haut in den Körper, entsteht an der Eintrittsstelle zunächst ein meist schmerzhaftes Knötchen, das sich später auch zum Geschwür verändern kann. Meist sind die benachbarten Lymphknoten mitbetroffen. Durch Vereiterung und Einschmelzung sind diese dann zusätzlich schmerzhaft geschwollen. Diese Form der Tularämie wird als kutano-glandulär bezeichnet. Es gibt allerdings auch die oral-glanduläre (Erreger dringt über die Mundschleimhaut ein) und die okkulo-glanduläre (Erreger dringt über die Schleimhaut des Auges ein) Form. Werden die Erreger über die Atemwege aufgenommen (Stäube, Aerosole), entsteht vielfach ein schwerer Krankheitsverlauf mit hohem Fieber und einer Lungenentzündung. Bei dieser septischen Form treten die meisten Todesfälle auf. Eine überstandene Infektion hinterlässt einen über Jahre andauernden Schutz durch das Immunsystem.

Therapie

Die Erkrankung kann beim Menschen gut mit üblichen Antibiotika bekämpft werden. Die Heilungsaussichten sind bei frühzeitigem Therapiebeginn überwiegend gut. Bei exponierten Personen wird nach Kontakt mit einem kontaminierten Tierkörper in Einzelfällen der prophylaktische Einsatz von Antibiotika empfohlen.

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Hintergrund

Vor mehr als 100 Jahren trat erstmals in Kalifornien eine Erkrankung bei Eichhörnchen auf, die durch die damals völlig neue Bakterienart Francisella tularensis (benannt nach dem Bakteriologe Edward Francis ) ausgelöst worden war.

Welche Tiere sind betroffen?

Bislang konnte Francisella tularensis bei mehr als 125 Säugetierarten nachgewiesen werden. Das Erregerreservoir stellen unterschiedliche wildlebende Kleinsäuger-Arten, vor allem Hasenartige, Nagetiere (Mäuse, Ratten, Eichhörnchen etc.) und Biber dar. Die Tiere werden meist durch blutsaugende Insekten wie Zecken, Milben, Flöhe oder Mücken infiziert. Auch der direkte Kontakt mit infizierten Tieren, oder eine indirekte Übertragung durch kontaminiertes Wasser oder Ausscheidungen kommen als Infektionsquellen in Frage.

Arten wie die Wasser- und Bisamratte sowie die große Wühlmaus können zwar infiziert werden, erkranken jedoch selbst nicht und werden somit zu Überträgern der Erkrankung. Auch Vögel wie Möwen oder Raubvögel können den Erreger über weite Strecken verschleppen. Hunde –insbesondere Jagdhunde - infizieren sich ebenfalls und stellen aufgrund der Nähe zum Menschen ein für ihn ernstzunehmendes Infektionsrisiko dar.

Insbesondere in Ländern der nördlichen Hemisphäre trat die Erkrankung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mehrfach auf. Zum Teil handelte es sich um Ausbruchsgeschehen auch mit menschlichen Erkrankungen, die insgesamt mehrere Tausend Personen betrafen. Die in den Folgejahren durchgeführte weitergehende Charakterisierung des Erregers der Tularämie ergab, dass in Nordamerika die Typen A (Francisella tularensis ssp. tularensis) und B (Francisella tularensis ssp. holarctica) unterschieden werden können. Die besonders schweren Erkrankungen gingen vom Subtyp A aus und sprechen für eine hohe krankmachende Wirkung (Virulenz) dieses Erregertyps, während die Unterart B eine eher mildere Verlaufsform der Erkrankung beim Menschen verursachte. In Nordeuropa hingegen konnte bei allen bisherigen Krankheitsgeschehen stets nur die „harmlosere“ Unterart B nachgewiesen werden. Dennoch stellt auch diese einen ernstzunehmenden Infektionserreger dar.

Obwohl das Bakterium sich leicht von Tier zu Tier lässt bzw. von Tier zu Mensch übertragen lässt, ist eine Übertragung von Mensch zu Mensch nicht bekannt. Die für eine Ansteckung ausreichende Menge des Erregers beträgt nur etwa zehn Keime. Zum Vergleich: Zur Entwicklung einer Salmonellenerkrankung werden mehr als 500.000 Bakterien benötigt.

Erregernachweis im Labor

Der Nachweis der Tularämie bei gefallenen Tieren erfolgt durch pathologisch-anatomische und mikrobiologische Untersuchungen. Dabei gibt die Sektion meist erste Hinweise auf das Vorliegen der Erkrankung. Verstreute, gelblich-graue, knotige Veränderungen (Nekrosen, Abszesse), wobei insbesondere die Leber, die Milz und die Lymphknoten gegebenenfalls auch die Lunge und Niere betroffen sind, sowie eine Schwellung der Milz (Abb. 3) und der Lymphknoten sind verdächtig.

Es müssen jedoch nicht immer diese sichtbaren Veränderungen am Tierkörper auftreten. Da eine sichere Diagnose nur durch die mikrobiologische Untersuchung möglich ist, muss immer eine Anzüchtung des Erregers im Labor versucht werden.

Francisella tularensis wächst auf den entsprechenden Nährmedien nach 2-7 Tagen. Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) hingegen ermöglicht den Erregergenomnachweis bereits innerhalb eines Tages. Im Labor erfordert der Umgang mit verdächtigem Untersuchungsmaterial bzw. den Erregerkulturen höchste Sorgfalt, da in der Vergangenheit auch einige Tularämiefälle beim Menschen in Folge einer Laborinfektion dokumentiert sind.

Seit dem Jahr 2000 konnten im Rahmen der Routinediagnostik in der Abteilung Veterinärmedizin am Landesbetrieb Hessisches Landeslabor durch Obduktion und Laboruntersuchung insgesamt 29 Tularämiefälle diagnostiziert werden. Dabei handelte es sich überwiegend um Feldhasen. In zwei Fällen waren auch Füchse betroffen. Erst kürzlich gelang der Erregernachweis auch bei einem an Tularämie erkrankten Dachs.

Prävalenz

In Europa sind vor allem Einwohner der skandinavischen Länder gefährdet. In Deutschland gibt es Krankheitsberichte beim Menschen seit 1931. Traten in den 1940er Jahren noch 100-200 Krankheitsfälle pro Jahr auf, wurden in den Jahren 1949-2006 nur noch 688 menschliche Tularämiefälle registriert. Frühere Fallberichte existieren insbesondere aus Schleswig-Holstein (Halbinsel Eiderstedt) und Bayern. Seit Mitte der 1960er Jahre wurden auch Krankheitsfälle in NRW, Hessen und Niedersachsen gemeldet.

Jahr 2010 2011 20212 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Summe
Fälle Bund (Tiere) 25 11 20 30 70 75 63 55 75 205 15 644

Vorkommen in Hessen

Von besonderem öffentlichen Interesse war ein im Jahre 2005 in Hessen aufgetretener Tularämiefall im Humanbereich, der mehrere Personen betraf, die an einer Treibjagt teilgenommen hatten. Nach dem Abhäuten und Zerlegen der erlegten Stücke traten bei einigen der Jäger nach einigen Tagen Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Lymphknotenschwellungen auf. Sieben Personen waren schwer an Tularämie erkrankt. Bei einem Jäger führte die Infektion sogar zum Tod.

Die Krankheitsfälle bei Tieren sind nicht gleichmäßig über das gesamte Landesgebiet Hessens verteilt. Vielmehr gibt es besondere Regionen mit einem saisonal vermehrten Vorkommen infizierter Tiere. Man spricht hier von sogenannten Endemiegebieten. Das sind Regionen, in denen die Erkrankung vermehrt auftritt bzw. das Auftreten auf dieses Gebiet beschränkt ist. In Hessen trat Tularämie bis auf wenige Ausnahmen bisher in drei Regionen auf: Neben dem südhessischen, in der Region Darmstadt-Dieburg gelegenen Gebiet gibt es ein weiteres im Bereich Limburg-Weilburg mit Ausläufern bis in die Kreise Lahn-Dill bzw. Gießen. Ein nordhessisches Gebiet steht in Verbindung mit einem Endemiegebiet in Südniedersachsen.

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